Das Herz des Südens
Ruhetag, aber heute sollte Louella ein Tablett voller Kuchen und Gebäck vorbereiten, damit Josie Muster zum Probieren vorzuweisen hatte. Sie hatte sich eine Liste der besten Abendrestaurants im Vieux Carré geschrieben, und sie hatte sich den Plan zurechtgelegt, das beste Kleid anzuziehen, das sie mit nach New Orleans genommen hatte, und sich bei den Managern vorzustellen. Wenn auch nur einer sich bereit erklärte, bei ihr einzukaufen, würden andere bald folgen, da war sie sicher.
Josie warf einen Blick auf die Regenwolken, die sich allmählich verzogen, deckte den Korb mit den Mustern ab und zog los, um ihr Glück zu versuchen. Im ersten Restaurant verschlang der Manager, ein dicker Mann mit fleckiger Weste, das Gebäck, das sie ihm anbot, sagte dann aber nein, es täte ihm leid, er habe keinen Bedarf. Im La Pêche d’Or verspeiste der Verantwortliche einen Sahneballen und küsste sich dann anerkennend die Finger. »Großartig, Mademoiselle. Aber wissen Sie, meine Kunden werden New Orleans bald verlassen. Bevor die Hitze kommt und die schlechte Luft uns vergiftet, verlassen alle, die es sich leisten können, die Stadt. Sie wissen ja, wovon ich spreche.«
»Ja, natürlich«, gab Josie zu. »Aber es kommen doch auch während der Sommermonate viele Leute in die Stadt, und sei es nur kurz, aus geschäftlichen Gründen.«
»Nicht genug, nicht annähernd genug! Ich vermute, wir werden diesen Sommer ganz schließen und erst im Herbst wiedereröffnen. Wenn Sie dann wiederkommen wollen, sagen wir Ende September, dann sollten wir uns ernsthaft unterhalten.«
Eine dritte Schicht Gebäck hatte Josie noch in ihrem Korb. Ein Restaurant würde sie noch aufsuchen, bevor sie für heute aufgab. Die Seitentür des Les Trois Frères stand offen, und sie trat ein.
Sie folgte den Stimmen den kurzen Korridor hinunter bis in den hinteren Teil des Restaurants. Ein großer, schlanker Mann mit gewellten schwarzen Haaren stand mit dem Rücken zu ihr. Ein wesentlich kleinerer Mann in Weste und Hemdsärmeln stand neben ihm und hielt eine Weinflasche ans Licht.
»Wirklich, mein Freund, eine wunderbare Farbe«, sagte er gerade. »Wie das blonde Haar eines schwedischen Mädchens.«
Josie fing seinen Blick auf, als sie den Saal betrat. »Mademoiselle?«, sprach er sie an.
»Monsieur, sind Sie der Geschäftsführer?«
Der große Mann drehte sich zu ihr um. Phanor DeBlieux war mindestens ebenso überrascht wie sie. »Josephine?«, sagte er.
Josie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen. Als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, war sie arrogant und streng und gefühllos gewesen, weil er Remy zur Flucht verholfen hatte. Und weil er ihre Tante geküsst hatte. Dabei hatte sie viel schlimmere Dinge auf dem Gewissen. Ob er wohl wusste, was sie Cleo angetan hatte?
Sie versuchte, unbeeindruckt zu wirken, aber sie konnte ihre Stimme kaum im Zaum halten. »Bonjour, Phanor.« Sie räusperte sich. »Ich hoffe, es geht dir gut.«
»Cleo hat mir schon erzählt, dass du in New Orleans bist«, gab er zur Antwort.
Er wusste also Bescheid. Er wusste alles, von all den vielen Gelegenheiten, bei denen sie kalt und unfreundlich gewesen war, von all ihren schlimmen Sünden. Wie sehr musste er sie verabscheuen! Sie blickte auf ihre nassen Schuhe. Hatte sie schlammige Spuren auf dem Boden hinterlassen?
»Das ist mein Freund Jean Paul Rouquier«, stellte Phanor den anderen Mann vor. »Er ist derjenige, den du suchst, wenn du den Geschäftsführer sprechen willst.« Er sah seinen Freund an. »Mademoiselle Josephine Tassin.«
Am liebsten wäre sie auf der Stelle weggelaufen vor all der Verachtung, die Phanor für sie empfinden musste, aber es war, als wären ihre Füße am Boden festgewachsen.
»Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein, Mademoiselle?«, fragte Jean Paul höflich.
Josie schluckte und zog das Tuch weg, mit dem sie das Gebäck in ihrem Korb bedeckt hatte. »Möchten Sie vielleicht einen Kokoskuchen probieren?«
»Aber gern«, rief er aus und nahm ein kleines Stück. »Hmmm, wunderbar!«, sagte er. »Haben Sie die selbst gebacken, Mademoiselle?«
»Nein, aber die Kuchen stammen aus meiner Küche.« Josie vermied es immer noch, Phanor anzusehen. »Wenn wir ins Geschäft kommen könnten, würde ich für alle Desserts sorgen, die Sie hier servieren.«
Jean Paul war nicht dumm, und er hatte die Verstörung bei seinem Freund und dieser reizenden jungen Frau sofort bemerkt. Während er sich die Finger ableckte, dachte er darüber nach, auf welche Weise
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