Das Herz des Südens
die beiden wohl in diese peinliche Situation gekommen sein mochten. Dann deutete er leichthin auf Phanor und sagte: »Sie sind also eine Freundin meines Freundes, richtig?«
»Monsieur DeBlieux und ich …« Josie konnte nicht weitersprechen, konnte Phanor nicht ansehen, konnte den Abscheu nicht ertragen, den sie in seinem Blick zu finden fürchtete. »Wir kommen aus derselben Gegend«, beendete sie schließlich ihren Satz.
»Also diesmal keines von Phanors reizenden irischen Mädchen. Phanor, von Mademoiselle Josephine hast du mir nie etwas erzählt!«
Phanor murmelte etwas. »Nein, habe ich nicht«, konnte es wohl heißen.
Jean Paul betrachtete ihn mit scharfem Blick. »Ich soll also Geschäfte mit der Dame machen? Würdest du mir das empfehlen?«
Das Schweigen hing so schwer im Raum, dass Josie dachte, er würde niemals antworten. Sie fasste den Griff ihres Korbes fester und blickte ihm endlich in die Augen.
»Doch, ich glaube, sie ist ein guter Mensch«, sagte er schließlich.
Josie spürte den Kloß in ihrem Hals und kämpfte mit den Tränen. »Merci, Phanor«, flüsterte sie.
Er nahm seinen Hut. »Ich muss gehen«, entschuldigte er sich. »Ich habe noch eine Verabredung.« Er starrte Josie an. »Willst du …«, begann er, aber er brachte den Satz nicht zu Ende, sondern nickte Jean Paul nur kurz zu und verließ das Lokal, ohne Josie noch einmal anzusehen. Sie nahm ihm den schnellen Abschied nicht übel. Tatsächlich freute sie sich, war glücklich und froh. Er wusste, was sie getan hatte, und er hatte ihr verziehen. Sie sah seinen Freund Jean Paul an und lächelte unter Tränen.
Jean Paul zog einen Stuhl für sie heran. »Setzen Sie sich doch, meine Liebe«, sagte er. »Mögen Sie ein Glas Wein?« Er beschäftigte sich mit der Flasche und den Gläsern, während sie sich ein wenig sammelte. »Ein ausgezeichneter Sauvignon, wenn der goldene Schimmer ein gutes Zeichen ist.«
Josie trank ein Glas Wein mit Jean Paul. Er machte es ihr leicht, zu erzählen, hörte ihr zu und wusste bald alles über ihre zwei Küchen und die Pläne für die dritte.
»Sie sind eine ziemlich geschäftstüchtige Frau, meine Liebe«, bemerkte Jean Paul. »Offensichtlich wachsen an Ihrem Flussabschnitt kluge Köpfe. Phanor wird es noch weit bringen, dessen bin ich mir ganz sicher, und jetzt habe ich Sie kennengelernt, und Sie sind ebenfalls auf dem besten Wege, eine erfolgreiche Unternehmerin zu werden.« Er hob sein Glas. »Auf Ihren Erfolg.«
»Heißt das, Sie steigen ins Geschäft ein und kaufen Gebäck bei mir?«, fragte Josie.
»Nun, passen Sie auf. Die dritte Küche steht ja noch nicht, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Und es ist spät in der Saison. Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Sie bereiten alles vor, sodass Sie Ihre Bäckerei bis September startbereit haben, und ich verspreche Ihnen, ich bin Ihr erster Kunde. Ich kann Ihnen jetzt schon prophezeien, der Kokoskuchen wird ein Renner.«
Leichter Regen fiel, als Josie das Les Trois Frères verließ. Sie hob ihr Gesicht zum Himmel, wie um sich segnen zu lassen, und ließ die Regentropfen auf ihre Augen und ihre Haare fallen. So viele Monate, in denen sie sich selbst verabscheut hatte – und nun die Vergebung. Sie badete förmlich in Phanors Worten: ein guter Mensch, das hatte er tatsächlich gesagt.
Mit einem Herzen, das allmählich heilte, ging Josie jeden neuen Tag mit noch größerem Elan an. Sie führte beide Küchen und trieb ihre Pläne für die dritte voran. Sie schrieb ihrer Großmutter lange Briefe, in denen sie alle Einzelheiten ihres Geschäfts darlegte und außerdem amüsant von Moncrieffs ungebetenem Rat erzählte. Außerdem beschrieb sie Szenen aus einem New Orleans, das Damen wie ihre Großmutter nie zu sehen bekamen. Was Phanor anging, so erwähnte sie lediglich, dass sie ihn zufällig getroffen hatte und dass es ihm gut ging.
»Ich werde im Sommer nicht heimkommen«, schrieb sie. »Mach Dir keine Sorgen, Grand-mère, wir Kreolen haben, wie Du weißt, gute Widerstandskräfte gegen die schlechten nächtlichen Ausdünstungen, die sie hier Miasma nennen. Vor allem die Américains sind gefährdet. Und ich muss hier weitermachen. Meine Kunden bleiben den Sommer über in der Stadt, die Arbeit ruht hier nicht, und die Menschen geben weiterhin ihr Geld in meinen Läden aus.«
Wie schade, dass sie keine Antwort von ihrer Großmutter bekommen würde. Der einzige Mensch auf Toulouse, der schreiben konnte, war Mr Gale, und sie konnte sich nicht vorstellen,
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