Das Herz des Werwolfs (German Edition)
Blick hing wie gebannt an der Kampfszene, und das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Sie ertrug es nicht zu sehen, wie Blut sein dichtes dunkles Fell befleckte, als er und Kenar voneinander abließen. Sie ertrug den Gedanken nicht, dass sein schlanker, schöner Körper von neuen Narben entstellt sein würde. Undsie ertrug es nicht, dass die anderen Wolfyn ihn mit kalten harten Augen ansahen, die besagten, dass er, selbst wenn er diesen Kampf gewann, nicht lange genug leben würde, um seinen Gewinn zu beanspruchen. Sie wollte sich zwischen Dayn und die anderen werfen, sie mit ihrem Körper abwehren und dabei fauchen: mein .
Mehr noch, ein Teil von ihr genoss den Anblick seiner Wolfgestalt: wie sein dichtes schwarzes Fell in der Sonne glänzte und sich über seinen festen Muskeln spannte, wenn er seinen Gegner ansprang, und dass seine Augen wie smaragdgrüne Flammen loderten, während die Kämpfenden miteinander rangen, sich gegenseitig bissen und anknurrten. Der Anblick seiner geschwungenen, langen und tückisch scharfen Eckzähne berührte etwas tief in ihr, und die Art, wie er sich bewegte, elegant wie ein Kämpfer oder wie das größte aller Raubtiere, rief in ihr wieder dieses Flüstern hervor: mein.
Sie musste hier weg. Denn wenn sie noch länger blieb, würde sie seinem Zauber vielleicht nie entkommen.
Aber wie sollte ihr das gelingen? Sie war umzingelt und unbewaffnet, ihr Bogen und die Pfeile lagen irgendwo am Rand auf dem Boden verstreut. Ihre Gedanken rasten, während sie sich umsah. Sie nahm eine rasche Bewegung in den Bäumen neben dem Wasserfall wahr, und eine weitere in einem Gebüsch in der Nähe, aber dann nichts mehr. Wahrscheinlich nur ein Vogel.
Ihre Häscher waren jetzt alle in Wolfgestalt und folgten gebannt dem Kampf. Dayn bäumte sich über Kenar auf, ließ sich dann auf ihn hinabfallen und drückte den Alpha mit seinem ganzen Gewicht zu Boden. Zähne blitzten, Blut spritzte, und Kenar jaulte vor Schmerz. Als erwieder aufstand, japste er und zog ein Vorderbein nach. Auch Dayn war verletzt: Er blutete aus einer tiefen Wunde in der Schulter, und das Blut, das unter ihm auf den Boden tropfte, verriet, dass sich in seinem dunklen Fell noch weitere Wunden verbargen. Doch er griff zuerst wieder an, warf Kenar zurück und setzte ihm nach, wobei seine blutbefleckten Zähne aufblitzten.
Das brutale fleischige Knirschen, das folgte, war das Schrecklichste, was Reda bisher gehört hatte. Sie würgte, als Kenar noch einmal zuckte und dann grauenvoll schlaff wurde.
Doch dann wurde das Knirschen zum Zweitschrecklichsten, was sie je gehört hatte. Dayn übertraf es, indem er seine Vorderpranke auf Kenars Körper setzte, die blutbeschmierte schwarze Schnauze gen Himmel reckte und einen furchterregenden und selbstzufriedenen Siegesruf ausstieß.
Arruuuuuuuuuu. Der Klang berührte ihr Innerstes, sie wollte schreien und sich selbst die Haut zerkratzen. Oder vielleicht war es das Wissen, mit so einer Kreatur, einem solchen Killer, geschlafen zu haben. Ihr Herz zerriss, als sie seine unglaublich schöne Wolfgestalt anstarrte, Angst einflößend … und so vollkommen fesselnd.
Er heulte wieder, und ihr wurde auf einmal sehr schlecht, sie presste sich eine Hand auf den Mund und wandte sich ab. Zwei Wolfyn-Wächter liefen neben ihr her, als sie blind aus dem Kreis rannte, ohne Ziel, sie wollte nur weg. Sie musste fort vom Anblick seiner smaragdgrünen Augen, fort von seinem wilden kraftvollen Heulen, fort von der brennenden Sehnsucht, sich noch einmal umzudrehen.
Die Wächter trieben sie an den Anfang des Pfades, dort,wo man ihren Bogen und die Pfeile hingeworfen hatte. Einer schob sie mit der Schnauze zu ihren Waffen. Der andere wandte sich wieder dem Rudel zu, und sein silberweißes Fell stellte sich auf, als wolle er sie beschützen, statt sie gefangen zu halten.
Moment. Silber?
Reda sah hinab zu dem Wolfyn neben ihr und glaubte, etwas Vertrautes in den Augen zu erkennen. „Keely?“
Die Kreatur nickte und gab ihr einen kräftigen Stoß in Richtung ihrer Waffen und des Pfads dahinter. Sie bellte etwas, das fast wie „Geh!“ klang.
Und dann ertönte plötzlich ein alarmiertes Jaulen, das Trampeln vieler Pranken. Reda sah auf und entdeckte, dass das Rudel sich ihr zugewandt hatte, ihr und Keely und dem Männchen mit dem silbernen Rücken.
Reda hetzte los. Sie schnappte sich ihren Bogen und die Pfeile und rannte auf den Pfad zu. Hinter ihr rief ein wildes Fauchen zum Angriff. Das Augenkratzer-Rudel setzte
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