Das Herz des Wolfes (German Edition)
Ohren, als Gideon sein Handy wieder in die Tasche steckte. Sie senkte den Blick und stellte fest, dass sie das Trockentuch in den Händen gewrungen hatte. Sie bemühte sich, gleichmäßig zu atmen, und hängte das Handtuch an den Haken neben dem Herd. Stoff raschelte, als Gideon in die Küchentür trat. Es musste doch irgendetwas Vernünftiges geben, das sie sagen konnte. Wenn ihr bloß einfallen würde, was das war. Ihr völlig verwirrtes Gehirn hüpfte im Schnellfeuertempo von einer möglichen Äußerung zur nächsten und verwarf sie sofort wieder.
Das ist ganz schön anmaßend von Ihnen, Detective. Habe ich Ihnen erlaubt, über Nacht zu bleiben?
Natürlich bleibst du über Nacht. Es ist viel zu gefährlich da draußen, da sollte niemand versuchen, Auto zu fahren.
Mann, was für ein Sturm.
Wir haben uns noch nicht mal geküsst. (NEEEEIIIN, sag das nicht.)
Sie krächzte: »Möchtest du einen Kaffee?«
»Alice«, sagte Gideon.
Ihr Kopf fuhr hoch.
Als er die völlige Verwirrung auf ihrem Gesicht sah, überkam Gideon eine so mächtige Woge von Zärtlichkeit, dass er nicht einmal mehr ein Lächeln zustande brachte, und ausnahmsweise beugte sich seine unpassende Begierde seinem Willen. Er wollte sie noch einmal in den Arm nehmen, sie einfach nur festhalten und ihr sagen, dass alles gut werden würde.
Mit sanfter Stimme sagte er: »Tut mir leid, dass ich keine Gelegenheit hatte, das vorher mit dir zu besprechen, aber mein Chef und ich wollen, dass ich heute Nacht auf deiner Couch penne.«
Mit bebenden Fingern strich sie das Handtuch glatt. »Ihr haltet das für das Beste?«
»Das tun wir, ja«, sagte Gideon. »Es gibt zu viele Hinweise darauf, dass sich der Mörder zwanghaft an eine bestimmte Reihenfolge hält.«
»Was meinst du damit?« Sie hielt die Hände still. »Glaubst du, er hat eine Zwangsstörung?«
»Vielleicht. Er ist unbestreitbar intelligent und in der Lage, eine komplexe Organisation zu bewältigen, also könnte er seine wahre Natur womöglich hinter dem Anschein von Normalität verbergen. Diese Gabe der Tarnung, die manche Psychopathen besitzen, meinte der Psychiater Hervey Cleckley, als er 1941 den Ausdruck ›Maske der Vernunft‹ prägte.« Gideon holte tief Luft und zwang sich, fortzufahren. »Viele Einzelheiten der Jacksonville-Morde sind nie veröffentlicht worden, weil der Täter noch nicht gefasst ist. Damals hat er die Gruppe gefangen gehalten und jeden Tag ein Mitglied getötet. Sie wurden in alphabetischer Reihenfolge umgebracht.«
Er konnte genau sehen, wann die Erkenntnis einsetzte. Mit einem rauen, bebenden Atemzug holte sie Luft und hob den Blick. Dann konnte er sich nicht mehr zurückhalten. Er ging zu ihr, um ihre schmalen Schultern beruhigend fest zu umfassen.
»Wozu es diesmal nicht kommen wird«, sagte er nachdrücklich in ihr Gesicht, das sehr bleich geworden war. »Außerdem ist es recht offensichtlich, dass die Zahl Sieben eine große Bedeutung für ihn hat.«
»Das hat sie für alle Angehörigen der Alten Völker«, murmelte Alice. »Sieben Reiche in den Vereinigten Staaten, sieben Primärmächte oder Götter.«
»Die früheren Morde geschahen an den Tagen vor dem Festival der Maske«, fuhr Gideon fort. »Deshalb glauben wir, dass die sieben Götter für ihn von besonderer Bedeutung sind. Er hat sieben Personen in sieben Tagen ermordet. Jetzt, sieben Jahre später, hat das Morden erneut begonnen. Er entnimmt seinen Opfern sieben Organe – Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, beide Nieren, Milz und das Herz, das er unter den Rippen herauszieht. Und er legt die Organe in einem klaren Muster aus, dessen Bedeutung wir allerdings noch nicht ermitteln konnten.«
Groß und warm lagen seine Hände auf ihren Schultern. Sie umfasste seine Unterarme, und als sie die warme Haut über seinen starken Muskeln spürte, gewann sie wieder etwas Standfestigkeit. Ihre Gedanken sprangen zurück zu der schrecklichen Stille in Haleys Wohnung, aber als sie an das klaffende rote Loch in Haleys Oberkörper dachte, erstarrte alles in ihr, und sie konnte sich zu keiner weiteren Erinnerung zwingen.
Zwischen den Zähnen hervorgepresst sagte sie: »Ich sehe es nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Ist es immer das gleiche Muster?«
Er zögerte. Forschend betrachtete er ihr Gesicht mit seinen umwerfenden, hellen Augen, ehe er mit schwerer Stimme sagte: »Ja. Das Herz liegt in der Mitte, und die anderen Organe sind rundherum ausgelegt.«
Stirnrunzelnd blickte sie ihn an, die Lippen so fest
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