Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle - Die drei Säulen der Transformation
wie etwa Zorn, Groll, Angst und Kummer in Versuchung geführt. Aber Heilige erscheinen seltsam gelassen und fröhlich in dieser gewalttätigen Welt. Und so kratzen wir uns am Kopf und denken: »Wie kann denn eine so anteilnehmende und fürsorgliche Person immer noch glücklich sein?« Denn wir meinen, wenn ihr wirklich etwas an den Dingen läge, ginge ihr all der Horror in der Welt, genau wie uns, an die Nieren. Was also ist anders am Geisteszustand eines Heiligen?
Hier ist ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, Sie hatten einen Autounfall. Sie waren unterwegs zu einem netten Abendessen, und plötzlich hatten Sie diesen Unfall, liegen nun am Straßenrand, und Blut sickert durch Ihre zerrissene Kleidung. Sie haben Angst, und Sie haben Schmerzen. Und wenn dann der Rettungswagen kommt, dann ist das Letzte, was Sie wollen, ein Sanitäter oder Notarzt, der aus dem Wagen klettert, einen Blick auf Sie wirft, ein entsetztes Gesicht macht und ausruft: »O mein Gott! Was für eine Sauerei! Sie haben keine Chance mehr!«
Sie wollen, dass er genau das tut, was er tut: Er lächelt und sagt immer und immer wieder: »Alles wird gut. Machen Sie sich keine Sorgen, wir kümmern uns darum. Alles wird gut. Wir haben es unter Kontrolle – machen Sie sich keine Sorgen.«
Ich glaube, dass Heilige sich meist genau so verhalten. Sie befinden sich in einem Zustand der Neutralität gegenüber den äußeren Zuständen und sagen der Welt: »Mach dir keine Sorgen, alles wird gut werden.« Und das ist der Geisteszustand, den wir anstreben – Atemzug um Atemzug.
Wenn wir also in unserem Alltagsleben eine Tragödie mitansehen, wenn wir Böses sehen, wenn wir Leiden sehen, dann haben wir zwei Möglichkeiten: Wir können dieses Leiden in uns hineinnehmen und in inneren Aufruhr geraten, oder wir können unsere Freude und Liebe in das Leiden hineinschicken, um es zu heilen.
Wie wir einen harten Holzfußboden in eine weiche Matratze verwandeln
Wenn wir zum Yoga gehen, um unseren Rücken zu heilen oder um aus einer Depression herauszukommen, passiert allmählich noch etwas anderes, etwas Unerklärliches, und wir fangen an, uns anders zu fühlen. Wir konzentrieren uns mehr auf unsere Atemübungen und unsere Meditation und stellen fest, dass wir allmählich ruhiger und gelassener werden und nicht mehr so schnell auf andere reagieren. Wir beginnen die Welt auf andere Weise zu sehen und zu spüren.
Ich traf eine Frau, die früher einmal ein ernsthaftes Alkoholproblem gehabt hatte, und sie sagte zu mir: »Wissen Sie, es ist erstaunlich, wie alle, als ich mit dem Trinken aufhörte, offener und netter wurden.« So ist es auch mit dem Yoga – je mehr wir Yoga praktizieren, desto netter scheinen die anderen Leute zu werden. Haben Sie je über die entspannende Körperstellung zum Abschluss des Yogaunterrichts, shavasana genannt, nachgedacht? Am Ende des Unterrichts liegen wir auf dem harten Holzfußboden auf einer knapp einen Zentimeter dicken Gummimatte und schlafen binnen drei Minuten ein. Und wir schlafen gut.
Würden wir in ein Hotel gehen und zeigte man uns ein Zimmer mit einer Schlafgelegenheit, die aus einer auf dem harten Holzfußboden liegenden Gummimatte bestände, würden wir auf dem Absatz kehrtmachen. Aber wenn wir zunächst unsere Yogapraxis auf der Matte durchführten, würde der harte Fußboden zur bequemsten Matratze auf der Welt, und wir würden in weniger als drei Minuten auf der Matte einschlafen. Hat sich der Fußboden verändert, oder haben wir uns verändert? Wenn wir unsere Praxis ausüben, scheint sich die Welt zu verändern, aber natürlich hat sich nicht die Welt, sondern wir haben uns verändert. Und deshalb werden, wenn wir Yoga praktizieren, auch die anderen netter und wird der harte Fußboden zur weichen Matratze.
Mönche und Nonnen, die ihre Besitztümer aufgeben, üben keinen Verzicht. Aufgrund ihrer Praxis haben sie kein Verlangen mehr nach diesen Dingen, diese Wünsche fallen einfach von ihnen ab.
Das ist das große Geheimnis der Praxis der drei Säulen der Transformation: Wenn wir uns transformieren, scheint sich die Welt um uns herum zu ändern, ja sogar aufzublühen und zu himmelsähnlichen Gefilden zu werden. Und deshalb scheinen die Heiligen, die Meister des Lebens, so glücklich zu sein: Sie sehen die gleiche Welt, die wir sehen, sie sehen sie nur mit anderen Augen. Sie wollen weniger haben und wollen mehr geben, sie nehmen die wunderbaren Herzen wahr und verzeihen den böse Gesinnten leichter. Wenn wir unsere
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