Das Herz des Yoga: Körper, Geist, Gefühle - Die drei Säulen der Transformation
bei meiner Arbeit andere aufzuklären, so dass sie nicht denken oder handeln wie er. Aber ich vergebe ihm dennoch. Denn meine einzige andere Option, die, ihn abzulehnen und zu hassen, würde mich zutiefst quälen. Sie würde mich zerstören. Sie würde bedeuten, dass sein langer Arm der Grausamkeit mein Herz erreicht und zerquetscht und dass ich zu einem Gefäß des Zorns und ihm sehr ähnlich werden würde.«
Was bedeutet Vergebung?
Vergebung bedeutet: Ich lasse los. Ich entlasse den Schmerz und die Wut und das ansteckende Gift des Grolls und der Verbitterung aus meinem Körper. Ich ziehe den Dorn aus meinem Herzen. Ich spucke das rot glühende Kohlestück aus. Ich lasse es aus mir heraus.
Viele sagen: »Aber manche Dinge sind unverzeihlich!« Wenn das stimmt, haben sie sich selbst zu lebenslangem Leiden verdammt und durchleben das schmerzhafte Ereignis der Vergangenheit immer und immer wieder. Man sagt, wenn dir jemand großen Schaden zufügt, bist du das Opfer. Aber jedes Mal, wenn wir das Verbrechen wieder im Geiste abspulen, schädigen und verletzen wir uns selbst. Wir werden von der Vergangenheit beherrscht. Wir werden nach wie vor von der Person beherrscht, die uns Schaden zugefügt hat. Es ist, als befände man sich in einem selbst geschaffenen Gefängnis und als wäre die Person, die uns geschädigt hat, unser Gefängniswärter.
Alles zu verstehen heißt alles zu vergeben. Der Buddha
Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun … Jesus von Nazareth
Schaut man sich das Leben von Mahatma Gandhi an, könnte man sagen, dass es eine Menge gab, worüber er wütend sein konnte – mehr als bei vielen von uns. Er lebte in einem Land, das von einem fremden Imperium kolonisiert worden war, einem Imperium, das für seine ungeheuerliche Ausbeutung von Menschen und Ressourcen berüchtigt war. Diese Ausbeutung hatte in Indien massive Armut, Verletzung der Menschenrechte und Korruption zur Folge. Hunderte von Gandhis Landsleuten, Frauen und Männer, wurden erschossen, und Tausende wurden bei friedlichen Protestdemonstrationen brutal niedergeknüppelt, während Gandhi selbst mehrere Male ins Gefängnis gesteckt wurde – einmal ganze zwei Jahre lang. Seine Frau starb, nachdem sie achtzehn Monate lang inhaftiert gewesen war.
Wenn man sich an den Grundsatz »Aber manche Dinge sind unverzeihlich« hält, dann könnte man gewiss sagen, dass Gandhi eine Menge Gründe hatte, wütend und zornig zu sein und sogar zu hassen. Aber das war nicht der Fall. Er war eine friedfertige und gütige Person – ja, er war für sein freundliches Auftreten berühmt. Hat er sich vor der Realität verschlossen? Ganz im Gegenteil: Er widmete den größten Teil seines Lebens dem Ziel, die Unabhängigkeit seiner Landsleute und seines Landes wiederherzustellen. Er war ein Aktivist in Reinkultur. Aber er schien den Gewalttätern zu vergeben, während er gegen sie kämpfte, und aus diesem Grund ist er heute der Inbegriff eines friedfertigen, freundlichen und gütigen menschlichen Wesens. Gandhi setzte sich als Aktivist für die Veränderung ein und war ein friedfertiger und glücklicher Mensch.
Wenn wir anderen gegenüber Gnade walten lassen, geben wir ein Beispiel der Gnade. Wenn wir anderen gegenüber Gnade walten lassen, lassen wir uns selbst gegenüber Gnade walten. Wenn wir einem anderen vergeben, ihn aus unserem inneren Unwetter entlassen, befreien wir uns aus einer Art sklavischer Abhängigkeit von der Vergangenheit.
Einmal leitete ich am Ende einer Unterrichtsstunde eine geführte Meditation an, bei der ich mich intuitiv dazu aufgerufen fühlte, über das Verzeihen und Vergeben zu sprechen. Ich sagte Folgendes: »Wählen Sie einen Menschen in Ihrem Leben, gegen den Sie Groll hegen, eine Person, der Sie nur sehr schwer vergeben können, und versuchen Sie, heute Abend Vergebung zu praktizieren. Sie wissen: Wenn Sie loslassen, wenn Sie dieser Person vergeben und ihr gegenüber Ihr Herz erweichen, lassen Sie Ihr Herz auch der Welt und sich selbst gegenüber weich werden. Sie wissen: Wenn Sie jemandem nicht vergeben, gibt es einen Teil in Ihnen, der Ihnen selbst für irgendetwas nicht vergibt. Wenn Sie diese zwischen Ihnen und der anderen Person existierende Wunde heilen, heilen Sie – selbst wenn Sie der anderen Person gar nichts davon sagen – auch einen Teil in sich selbst.«
Etwa einen Monat später kam eine Schülerin auf mich zu, die an jenem Unterricht teilgenommen hatte. Sie erzählte, dass sie wirklich wütend geworden sei,
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