Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
»Deshalb konntest du Mdogos Namen nicht richtig aussprechen. Du wusstest ja nicht einmal, was er bedeutet. Du sprichst gar kein Swahili.«
»Selbst wenn ich hier leben würde, könnte ich nicht dein Vormund sein«, sagte Emma sanft. »Das wird vom Gesetz geregelt. Normalerweise kümmern sich Verwandte um die Waisen.« Sie brach ab. Das Wort »Waise« klang so unangebracht, als ob der Betreffende hilflos sei. Aber es passte nicht zu diesem Mädchen, das in der Wüste mit Löwen gelebt hatte und kenntnisreicher war als die meisten Erwachsenen. »Und wenn es keine Verwandten gäbe, würde sich jemand anderer um dich kümmern, aber bestimmt nicht jemand wie ich. Ich bin eine völlig Fremde, und noch nicht einmal verheiratet.«
Angel wandte sich zu George, Daniel und Ndisi. Hoffnungslos sah sie die Männer an – offensichtlich verstand sie bereits, dass keiner von ihnen sich um sie kümmern durfte.
Am liebsten hätte Emma alles, was sie gesagt hatte, zurückgenommen. Aber sie wusste auch, dass jedes Wort wahr war, und jetzt würde sie die Aufgabe zu Ende bringen. »Wir müssen es morgen der Polizei sagen. Dein Onkel muss erfahren, dass wir dich gefunden haben. Wir werden anbieten, dich am Tag danach nach Malangu zu bringen, aber vielleicht wollen sie auch herkommen und dich abholen. So oder so werden wir dafür sorgen, dass du auf dem Weg dorthin in der Station Mama Kitu und Matata sehen kannst.« Ihre Stimme schwankte. Sie hatte das Gefühl, Angel zu foltern. Sie wollte aufhören, aber als sie George und Daniel anblickte, nickten beide zustimmend. Also zwang sie sich, weiterzureden. »Es tut mir wirklich leid. Ich weiß, dass das alles ziemlich schnell geht und du nicht viel Zeit für die Kamele hast, aber mehr können wir nicht tun.«
»Aber wenn du deine Meinung ändern würdest und nicht nach Australien zurückgingest, wenn du sagen würdest, du könntest dich um mich kümmern …« Angel umklammerte die Tischkante. »Dann würden sie vielleicht auf dich hören. Das weißt du doch gar nicht. Du könntest es aber wenigstens versuchen.«
Emma schüttelte den Kopf. Ihr wurde plötzlich klar, wie klein Angel noch war. Sie verstand einfach nicht, was sie von Emma verlangte – dass sie eine Mutter wurde. Verständnisvoll, aber fest erwiderte Emma: »Das kann ich nicht. Es wäre absolut unmöglich.« Sie spreizte die Finger. »Und du kennst mich doch gar nicht. Vielleicht bin ich ja eine schreckliche Person. Es macht keinen Sinn.«
Angel wandte sich an Daniel und sagte etwas auf Maa.
Daniels Augen leuchteten vor Mitgefühl auf, als er ihr zuhörte. Dann wandte er sich an Emma. »Sie hat mich gebeten, dir zu sagen, dass ich dich nett finde. Dass du so gut für Mama Kitu gesorgt hast, als sei es dein eigenes Kamel. Dass Mama Kitu dich liebt.«
Emma blickte von Daniel zu Angel. Wieder hatte sie das Gefühl, ihre Antwort würde beiden gelten. Das Kind lächelte ermutigend.
»Nein. Nein. Es käme für mich absolut nicht in Frage, mich um dich zu kümmern, Angel, selbst wenn deine Verwandten zustimmen würden und auch die Regierung – oder wer immer für diese Dinge zuständig ist – einverstanden wäre. Ich kann nicht hierherziehen. Du müsstest mit mir nach Australien kommen. Ich wohne in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt. Meine Arbeit ist wichtig, und ich habe kaum Zeit.«
Angel nickte langsam und dachte über Emmas Worte nach. »Hier gibt es auch wichtige Arbeit für dich.«
Unwillkürlich warf Emma Daniel einen Blick zu. Sie sah, dass Angel es bemerkte – und ihr wurde klar, dass das Kind glaubte, sie ließe in ihrer Entschlusskraft nach.
»Du könntest dich verändern«, fuhr Angel fort. »Alles kann verändert werden. Laura war früher einmal eine Safaridame mit vielen Kleidern und Ketten.« Es hörte sich an, als ob Angel ihnen ein Märchen erzählen wollte. »Sie kam in einem Safaribus in ein Dorf, wo die Einwohner für die Touristen sangen und tanzten. Ein Mann saß vor seiner Hütte. Die Sonne brannte heiß, aber er zitterte. Er hatte Schmerzen und keine Medikamente. Laura war Krankenschwester, und sie wusste, dass sie ihm helfen konnte. Also stieg sie nicht wieder in den Bus, sondern blieb da und pflegte ihn. Sie ist nie wieder nach England zurückgefahren.« Angel spreizte die Hände. »Sie hat alles geändert – ihr ganzes Leben – einfach so.« Erwartungsvoll blickte sie Emma an. Spannung lag in der Luft. Das Eichhörnchen hüpfte über die Anrichte.
Emma versuchte, sich
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