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Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Scholes
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schwarzen Klumpen herum, der zwischen den Kohlen lag, und drehte ihn um.
    »Gibt es in England auch Süßkartoffeln?«, fragte sie. Ihre Stimme klang nicht neugierig, nur resigniert.
    »Ich glaube schon. In Australien gibt es jedenfalls welche. Aber sie sind eher orange, nicht so wie hier.«
    Angel nickte, als ob sich ihr Verdacht bestätigt hätte. Sie schob das Feuer zusammen, legte Zweige, die herausragten, ordentlich hin. Sie hatte die Feuerstelle sehr fachmännisch mit einer Pyramide aus Zweigen aufgebaut. Während Emma zusah, wie Angel brennendes Holz über die Süßkartoffel schob, verstand sie auf einmal, was hier vor sich ging. Das war für Angel die letzte Mahlzeit – ein Ritual. Sie verabschiedete sich von ihrem Leben in Afrika.
    Sie saßen nebeneinander und schauten ins Feuer. Die Stille war schwer von unausgesprochenen Gedanken.
    Dann sagte Emma sanft: »Wohin wolltest du gehen?«
    Angel drehte sich zu dem länglichen Hügel in der Ferne. »Dorthin, zur Station. Ich wollte Mama Kitu und Matata sehen. Dann wollte ich zu Walaitas manyata reiten.« Angel zeigte zum Berg Gottes. »Ihr Onkel ist der Häuptling. Er ist ein sehr wichtiger Mann. Er könnte dafür sorgen, dass sie mich nicht wegschicken. Ich war bei seiner Schwester, als sie starb. Ich habe Mama geholfen, sie zu pflegen.« Angel blickte Emma an, und in ihren Augen loderte kurz ein Feuer auf. »Er würde mir helfen. Das weiß ich.«
    Emma dachte, wie viel Mut selbst ein Erwachsener gebraucht hätte, um sich auf ein solches Abenteuer zu begeben.
    »Aber dann ist der Sack gerissen und der Topf zerbrochen.« Angels Stimme bebte. »Und die Station ist sowieso zu weit weg.«
    Emma betrachtete die hängenden Schultern, das traurige kleine Gesicht. Sie streckte ihre Hand aus, ließ sie aber wieder sinken. Das Herz tat ihr weh. »Ach, Angel, du bist doch ein kleines Mädchen. Du musst nicht die ganze Zeit so tapfer sein – und so stark.«
    Angel schaute sie an. »Doch, das muss ich. Ich muss tapfer sein, weil Laura tot ist«, sagte sie laut und heftig. »Ich bin allein. Ich habe keine Mutter mehr.« Mit erstickter Stimme stieß sie hervor: »Du weißt doch gar nicht, wie das ist.«
    Angel zog die Knie an die Brust, schlang die Arme darum und ließ ihren Kopf darauf sinken.
    »Doch«, sagte Emma leise, »ich weiß, wie es ist.«
    Angel erstarrte. Überrascht hob sie den Kopf und blickte Emma fragend an.
    »Ich war genauso alt wie du, als meine Mutter starb. Ihr Name war Susan. Sie hat auf der Olambo-Fieber-Forschungsstation gearbeitet und sich mit dem Virus infiziert.«
    Angel starrte sie an. »Warst du bei ihr?«
    Emma schüttelte den Kopf. »Ich war in Amerika und habe darauf gewartet, dass sie nach Hause kam, damit wir meine Geburtstagsparty feiern konnten. Ein paar Männer aus ihrem Büro kamen und sagten meinem Vater, was passiert war. Lange Zeit glaubte ich nicht, dass sie wirklich tot war. Ich dachte, wenn ich hierher – nach Tansania – kommen und nach ihr suchen könnte, dann würde ich sie finden. Aber ich musste akzeptieren, dass sie nie mehr zurückkam.«
    Emma lauschte auf ihre Stimme. Es überraschte sie, dass sie so ruhig klang.
    »Hat sie dir gefehlt?« Angels Stimme klang brüchig. Tränen standen ihr in den Augen. »Ich vermisse Laura. Sie fehlt mir so sehr.«
    Sie begann leise zu weinen, es klang wie bei den Löwenjungen. Nach und nach wurde das Weinen lauter und steigerte sich zu einem Schluchzen. Tränen strömten ihr über das Gesicht. Sie schimmerten im Mondschein, und sie wischte sie nicht weg. »Ich brauche meine Mama! Ich will sie zurückhaben!«
    Emma keuchte. Auch ihr traten Tränen in die Augen, heiß und scharf. »Ich weiß. Ich weiß.« Beim Anblick des weinenden Kindes brach etwas in ihr auf. Sie war selbst wieder ein Kind, verängstigt und traurig. Auch ihr Schmerz drängte aus ihr heraus. »Ich vermisse meine Mum immer noch. Ich will sie immer noch zurückhaben.« Durch einen Tränenschleier sah sie die Flammen nur noch verschwommen, und nichts als Trauer und Verlassenheit umgaben sie.
    Eine Hand legte sich auf ihren Arm. Emma legte ihre große Hand über die zarten Finger und hielt sie fest. Sie zog das Kind an sich, und Angel, die immer noch vor Schluchzen bebte, schmiegte sich an sie. Emma drückte ihre Lippen auf das seidige Haar.
    Sie weinten zusammen und teilten ihren Kummer. Erst nach langer Zeit – der Mond ging bereits unter, und das Feuer erstarb nach und nach – wurden sie wieder ruhig.
    Angel

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