Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
Mr. Lelendola hat es mir gesagt.« Er blickte Emma an. »Du willst bei … bei ihr leben.«
»Ja«, sagte Angel.
Emma räusperte sich. »Ich möchte einen Antrag auf Vormundschaft stellen.«
James runzelte die Stirn; er schien sich nur mühsam zu beherrschen. »Haben Sie das alles auch genau durchdacht? Ich meine, ich weiß, dass Sie dazu beigetragen haben, dass sie gefunden wurde, und verständlicherweise hat sich da eine Bindung entwickelt. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass sie jetzt bei Ihnen bleiben sollte. Ehrlich gesagt, finde ich die Vorstellung ziemlich … absurd.«
Emma fiel eine Antwort schwer, schließlich hatte sie bis vor kurzem die Dinge ähnlich gesehen. »Ich habe sehr sorgfältig darüber nachgedacht«, sagte sie schließlich. »Ich glaube, es wäre das Beste für Angel – und für mich auch.«
James zwang sich zu einem Lächeln. »Das Problem ist nur, äh – Emma –, ich habe meiner Schwester etwas versprochen, und ich möchte mein Versprechen halten. Und meine Frau unterstützt mich natürlich.« Er zog eine Fotografie aus der Tasche und zeigte sie Angel. »Das ist deine Tante Louise.«
Angel warf rasch einen Blick darauf und drehte dann den Kopf weg. Emma sah eine große Frau in Reithosen und einer hübschen Bluse. Sie hatte ein reizendes Lächeln.
»Ich verstehe Ihre Lage, Mr. Kelly«, sagte Joshua. »Ein Versprechen sollte immer gehalten werden. Und wenn derjenige, dem man etwas versprochen hat, gestorben ist, wird es eine heilige Pflicht.«
»Absolut«, stimmte James zu. Emma warf Daniel einen Blick zu. Er wirkte genauso angespannt wie sie.
»Aber die Lebenden sind wichtiger als die Toten«, fuhr Joshua fort. »Und das Wohlergehen des Kindes muss an erster Stelle stehen, noch vor Ihren Pflichten und Wünschen.«
James verzog ungeduldig das Gesicht. »Hören Sie, ich denke, es ist eigentlich alles ziemlich eindeutig. Ich bin der nächste Verwandte. Einen Vater gibt es nicht. Juristisch gesehen, habe ich das Recht, sie mit nach England zu nehmen.«
»Nein, das haben Sie nicht«, erwiderte Joshua. »Die Entscheidung, wer für dieses verwaiste Kind sorgen soll, obliegt der tansanischen Regierung, da das Kind sich hier in unserem Land befindet.«
Angel traute sich hinter Emma hervor und trat neben sie. Emma legte den Arm um sie und zog sie an sich. Angel blickte sie an. Ihr Gesicht war blass vor Angst. Emma lächelte ihr beruhigend zu, aber ihr krampfte sich der Magen zusammen. Sie blickte zu Moyo, die bewegungslos auf der anderen Seite neben Angel saß, und versuchte, aus der Anwesenheit des Tieres Kraft zu schöpfen.
James trat einen Schritt auf Joshua zu. »Theoretisch ist das sicher korrekt, Minister. Aber es wäre sehr ungewöhnlich … Man würde doch erwarten …« Er verstummte. Offensichtlich fiel es ihm schwer, die Realität der Ereignisse zu begreifen.
»Die Frage, die wir beantworten müssen«, fuhr Joshua fort, »ist: Wer wird dieses kleine Mädchen am meisten lieben und am besten für es sorgen?«
James lächelte selbstbewusst. »Nun, lassen Sie es mich so formulieren: Wir haben ein schönes Haus am Meer. Im großen Garten gibt es einen beheizten Swimmingpool. Angel wird Louises ehemalige Schule besuchen, das St. Mary’s College. Sie bekommt Reitstunden, Ballettunterricht, Klavierstunden. Wir werden Ferien im Ausland machen …« Seine Stimme erstarb, und sein Blick glitt über Angel, als ob es ihm Schwierigkeiten bereitete, seine Visionen mit dem Kind, das vor ihm stand, zu vereinbaren. Dann jedoch schloss er mit fester Stimme: »Sie wird alles haben.«
»Für wohlhabende Leute ist es leicht, so etwas zu garantieren«, sagte Joshua. »Aber was ist mit Liebe, Fürsorge und Gemeinschaft?«
»Das versteht sich doch von selbst«, sagte James. »Sie ist das Kind meiner Schwester. Zu gegebener Zeit planen Louise und ich eigene Kinder. Angel wird Teil einer richtigen Familie sein.«
Joshua nickte. »Sie haben Ihrer Nichte einiges zu bieten.«
Emmas Herz klopfte heftig. Sie hätte das Kind, das sich so vertrauensvoll an ihre Seite drückte, am liebsten beschützt. Sie wünschte sich, sie könnte sich wie eine Löwin vor ihr Kind stellen und kämpfen. Aber sie wusste, sie musste sich ruhig verhalten und zuhören.
»Mr. Kelly«, sagte Joshua, »Sie müssen leider beweisen, wie gut Sie für das Kind sorgen werden. Sonst kann es das Land nicht verlassen. Nach tansanischem Gesetz kann ein Kind erst von Ausländern adoptiert werden, wenn diese Personen
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