Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
um Treibstoff zu sparen und auch, damit sie durch den Lärm nicht gestört wurden. Der Tisch wurde vom sanften Schein einer Petroleumlampe erhellt, die an einem Haken von der Decke hing. Das weiche, flackernde Licht warf tanzende Schatten. Daniel hatte einen Eintopf mit Spinat und Erdnüssen gekocht, und Emma ließ sich den Teller füllen. Zu Mittag hatten sie nur Bananen gegessen, und da sie fast den ganzen Tag draußen verbracht hatte, hatte sie einen gesunden Appetit entwickelt.
Während des Essens unterhielten sie sich ungezwungen. Emma fragte nicht mehr nach Daniels Privatleben; auch von ihrem wollte sie nichts erzählen. Daniel ging es wohl genauso. Zuerst redeten sie über Politik und verglichen ihre beiden Länder. Erstaunt stellte Emma fest, dass sie eigentlich kaum etwas über Tansania wusste, im Gegensatz zu Daniel, der sogar wusste, welche Partei in Australien an der Regierung war. Sie fragte ihn, woher er so gut Englisch konnte, und er erklärte, die Unterrichtssprache in Schule und Universität sei Englisch, und außerdem habe er während seiner Zeit in Daressalam und Arusha häufig Nachrichtensendungen im Fernsehen angeschaut. Dann unterhielten sie sich über Bücher. Überrascht hörte Emma, dass Daniel von Salman Rushdie bis hin zu Agatha Christie so gut wie alles las. Viel Auswahl hätte er sowieso nicht, sagte er, weil seine Bücher von einem Secondhand-Händler in Arusha stammten, der die Taschenbücher weiterverkaufte, die die Touristen zurückließen. Emma dachte daran, wie überwältigt sie in den Buchhandlungen zu Hause immer von dem Überangebot an Büchern war. Daniels Welt war wesentlich einfacher. Das Leben hier war zwar nicht leichter – im Gegenteil, es war schrecklich harte Arbeit –, aber alle hatten viel mehr Zeit und Raum, um sich zu bewegen.
Je länger der Abend dauerte, desto weniger redeten sie. Einträchtig saßen sie im abgeschirmten Esszimmer, lauschten den Kamelen, die im Gehege ihr Futter kauten, beobachteten die Motten, die gegen das Moskitonetz flatterten, und das Flackern der Petroleumlampe. Als es Zeit war, den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Küche zu bringen, schaltete Daniel den Generator wieder ein, und das elektrische Licht überdeckte den sanften Schein des Mondes und der Lampe. Er spülte das Geschirr in einem Becken, und Emma trocknete die Teller und Becher ab. Dann ging Daniel mit Emma in Ndugus Zimmer, wie am Abend zuvor. Dieses Mal jedoch fiel es Emma nicht so schwer. Sie dachte nicht an Susan oder an das Kind auf dem Foto. Alle ihre Sinne waren auf Daniel gerichtet, der einen Schritt vor ihr herging.
An der Tür blieb er stehen und reichte ihr die Taschenlampe.
»Gute Nacht, Emma«, sagte er.
Es gefiel Emma, wie er ihren Namen sagte, mit der Betonung auf beiden Silben. Em-mah. Es klang neu und anders, als ob es seine ganz besondere Art sei, sie anzusprechen.
»Auf Swahili sagen wir Lala salama «, fügte er hinzu. »Es bedeutet ›mögest du in Frieden und Sicherheit schlafen‹.«
»Lala salama«, wiederholte Emma. Die Worte klangen wie ein Schlaflied oder ein Segen.
Sie blickte in Daniels Augen und hielt seinem Blick stand. Der Augenblick dehnte sich, und die Luft zwischen ihnen vibrierte. Und dann, fast im gleichen Moment, wandten sie sich beide ab.
Emma ging ins Zimmer und schaltete das Licht ein. Sie stand ganz still, starrte auf die aufgestapelten Kartons und lauschte dem Klang von Daniels Schritten, die im Flur verklangen.
Emma setzte sich an den Esstisch neben Mosi, Daniel gegenüber. Heute gab es sogar noch mehr zum Frühstück als gestern. Sie zerschnitt ein Spiegelei und ließ das Eigelb über ein Stück Süßkartoffel fließen. Es sah gut aus, aber sie hatte keinen Hunger. Ihr Magen krampfte sich vor Spannung zusammen. Ständig dachte sie daran, dass sie bald erfahren würde, ob man Angel gefunden hatte – ob sie lebte oder tot war oder vielleicht immer noch vermisst wurde. Und sie dachte auch daran, dass sie bald mit Mosi nach Malangu aufbrechen würde. Daniel würde in seinem Landrover hinter ihnen herfahren. Emma und Daniel würden gemeinsam in die Polizeistation gehen, um dort ihre Aussage zu machen, und anschließend würden sich ihre Wege trennen.
»Heute müssen Sie viel essen«, sagte Daniel. »Sie wissen ja, dass es im Salaam Café keine große Auswahl gibt. Und es ist eine lange Fahrt bis in die Serengeti.«
Emma zwang sich zum Essen. Sie fand, sein leichter Tonfall klang gezwungen. Vermutlich empfand er das
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