Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
schneller und begann zu laufen. Sie rannte auf einen kleinen, felsigen Hügel zu, an dessen Fuß ein paar große Steinbrocken im Schatten von Palmen lagen.
Ein paar Meter von den Felsen entfernt blieb Moyo stehen. Ihr Schwanz zuckte von einer Seite auf die andere. Vor ihr befand sich ein etwa türbreiter Spalt zwischen den zwei größten Steinen.
Daniel hielt ein Stück entfernt von den Felsen an. Als er den Motor ausschaltete, hörten sie, wie Moyo ein leise gurrendes Geräusch von sich gab. Sie schaute auf die Lücke.
»Es ist nur eine kleine Höhle«, flüsterte George. »Sie muss mit ihren Jungen allein sein.« Er öffnete seine Tür, wobei er sich ganz langsam bewegte, um unnötigen Lärm zu vermeiden. Er wies Emma und Daniel an, ihm zu folgen. »Tun Sie so, als ob wir zusammengehörten.«
Die drei traten auf Moyo zu, die immer noch auf die Lücke zwischen den beiden Steinen blickte. Das schwarze Haarbüschel an ihrem Schwanz zuckte hin und her. Die Löwin bewegte sich, als wolle sie in die Höhle hineingehen, aber genau in diesem Augenblick tauchte das pelzige Gesicht eines Jungtiers in den Schatten auf. Moyo hob den Kopf und stieß einen leisen, rufenden Laut aus. Das Junge kam zu ihr gerannt und rieb seinen Kopf an ihrem Bein. Die Löwin leckte mit ihrer großen, rosa Zunge über das kleine Gesicht.
Kurz darauf tauchte ein zweites Jungtier auf – es hielt den Kopf schräg und beäugte mit hellen Augen den Landrover, die Menschengruppe und dann Moyo. Als die Löwin erneut rief, kam er auf sie zugetrottet. Dann rannte ein drittes Löwenjunges aus den Schatten, als hätte es Angst, allein zurückgelassen zu werden. Es kam sofort zu Moyo und suchte Schutz zwischen ihren Vorderläufen.
Die Löwin schaute immer noch auf die Höhle.
Emma biss sich so fest auf die Unterlippe, dass sie Blut schmeckte. Vor der Höhle bewegte sich nichts. Sie starrte in die dunkle Öffnung.
Dann stieß Moyo abrupt einen Befehlslaut aus, fast wie ein Bellen.
Etwas bewegte sich in den Schatten: Ein heller Fleck tauchte auf. Emma versuchte, ihre Augen auf die Dunkelheit einzustellen. Ihr stockte der Atem. Sie konnte das Gesicht eines Kindes sehen.
Ohne nachzudenken, trat Emma vor. Blondes langes Haar blitzte auf, und das Gesicht verschwand.
Emma starrte in die Schatten. Ein einziger Gedanke beherrschte sie. Sie war es – Angel. Sie war da! Fragend blickte sie George und Daniel an.
»Rufen Sie sie!«, flüsterte George.
»Vielleicht sollten Sie das besser tun«, flüsterte Emma zurück. »Sie wird Ihnen eher vertrauen, wegen Moyo.«
»Nein, Sie sind eine Frau«, widersprach George. »Vor Ihnen hat sie weniger Angst.«
Emma schluckte nervös. Sie hatte Angst, das Falsche zu sagen. »Angel?« Sie zwang sich weiterzusprechen. »Angel? Angel, ich kann dich sehen. Hab keine Angst.«
»Nendeni! Mbali!« Eine hohe, klare Stimme drang aus der Höhle. »Sasa hivi.«
Fragend wandte Emma sich an Daniel.
»Sie sagt: Geht weg. Geht weit weg. Sofort!«
Die drei schauten sich an. Emma spreizte hilflos die Hände.
George trat langsam vor und stellte sich neben Moyo. Wieder begrüßte sie ihn zärtlich, dann schaute sie zu, wie er sich hinkniete, ihre Jungen streichelte und sein Gesicht an ihren Gesichtern rieb.
Ungeduld stieg in Emma auf. Er schien völlig vertieft in die Begegnung zu sein, als ob er vergessen hätte, warum sie hier waren. Die irrationale Angst überkam sie, dass Angel irgendwie aus der Höhle verschwinden und nie wieder auftauchen würde.
Sie überlegte gerade, ob sie oder Daniel nicht doch zur Höhle gehen sollten, als das Gesicht des Mädchens wieder auftauchte. Angel verfolgte jede Bewegung von George und beobachtete, wie Moyo auf ihn reagierte. Die Augen hatte sie weit aufgerissen, ihr Mund stand halboffen.
George erhob sich und stellte sich neben Moyo, wobei er eine Hand locker auf ihre Schulter legte. Dann wandte er sich an Angel. »Wir möchten mit dir reden. Du brauchst keine Angst vor uns zu haben.«
Angel rief eine Antwort, und Emma blickte wieder zu Daniel, damit er ihr übersetzte, was das Kind gesagt hatte.
»Sie sagt: ›Lasst mich in Ruhe. Ich will hier mit den Löwen bleiben‹.«
Wieder sagte George etwas, dieses Mal auf Swahili. Aber als Angel antwortete, verzog er verwundert das Gesicht.
Daniel unterdrückte ein Lächeln. »Jetzt spricht sie Maa. Sie will uns verwirren. Sie glaubt, wenn wir sie nicht verstehen, geben wir auf und gehen wieder.«
»Was sagt sie denn?«, fragte
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