Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
Anstrengung an; den Mund hatte er zu einer dünnen Linie zusammengepresst, die Augen halb zugekniffen. Die Muskeln in seinen Armen wölbten sich unter seiner runzeligen Haut. Emma sah Daniel an, dass er sich unschlüssig fragte, ob er ihm die Arbeit abnehmen sollte. Bald schon keuchte George, und der Schweiß floss ihm übers Gesicht. Aber erst als ein feuchter Fleck unten in der Grube auftauchte, reichte er den Spaten an Daniel weiter.
Als Daniel zu graben begann, räumte Emma die Thermosflasche, die Becher und die Bananenschalen weg. Sie überlegte, ob sie auch beim Graben helfen sollte. Simon hätte das bestimmt von ihr erwartet – schließlich war sie jung und gesund. Aber hier schien es ihr nicht notwendig zu sein. Daniel genoss die körperliche Arbeit; er stand mit gespreizten Beinen da und schwang den Spaten.
George zog eine Pfeife aus der Tasche. Er drückte Tabak mit dem Daumen hinein und zündete ihn mit einem Streichholz an. Paffend stand er an dem Loch und sah Daniel beim Arbeiten zu. Ab und an zeigte er auf eine Stelle, wo er den Spaten als Nächstes ansetzen sollte, und nickte zustimmend, wenn seine Anweisungen befolgt wurden. Emma stand daneben und schaute zu. Zwischen den beiden Männern ging irgendetwas vor. Sie vollzogen ein Ritual, dessen Bedeutung sie beide verstanden – eine Art Tanz zwischen einem jungen und einem älteren Mann.
Schließlich begann Wasser von unten in die Grube zu sickern, milchig braun und schaumig. Auf Georges Geste hin hörte Daniel auf zu graben. Sie standen alle drei am Rand des Wasserlochs und blickten auf die Quelle. Die Sonne funkelte auf dem Wasser, und es kam ihnen vor wie ein Wunder. Emma blickte von Daniel zu George, und sie lächelten sich an.
»Früher haben die Elefanten in der Trockenzeit mit ihren Stoßzähnen nach Wasser gegraben«, sagte George. »Aber mittlerweile haben die Wilddiebe sie alle vertrieben. Auch die Rhinos. Die Löwen werden die Nächsten sein.« Seine Haare fielen ihm ins Gesicht, als er auf die Quelle blickte. Sie waren an den Spitzen gelblich, stellte Emma fest – dieselbe Farbe wie das trockene Gras. »Ich dachte, ich erlebe es noch, dass das ganze Gebiet hier zum Nationalpark erklärt wird. Dann hätten wir hier draußen eine vernünftige Basis und festangestellte Wildhüter.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Eingabe gemacht, unterstützt von zwei Wildlife Trust Funds und zahlreichen Experten. Aber es ist nichts passiert. Es hat sicher etwas damit zu tun, dass Magoma mich nicht mag, doch es steckt noch mehr dahinter.« Seine Stimme klang frustriert. »Das Problem ist, dass die Leute Nationalparks immer nur in Zusammenhang mit Tourismus bringen, und sie glauben, Besucher wollen in Afrika nur Savanne oder Regenwälder sehen, aber nicht diese Art von Landschaft. Und wilde Tiere einfach nur um ihrer selbst willen zu schützen, sehen sie nicht ein. Sie verstehen nicht, dass auch wir ein wenig mehr Wert bekommen, wenn so prachtvolle Geschöpfe wie Löwen hier draußen wild und frei im Busch leben.«
Er schwieg und blickte auf die größer werdende Wasserpfütze.
Emma wandte sich ab, schaute über die Ebene und suchte nach einem Anzeichen für die Löwin – einen gelbbraunen Fleck oder etwas, das sich zwischen den Felsen und Büschen bewegte. Aber wirkliche Hoffnung hatte sie nicht. Kalt und schwer legte sich Verzweiflung über sie, und sie hatte auf einmal Angst, dass sie Angel nie mehr finden würden. Sie blickte zum Himmel, um sich von der klaren, blauen Weite trösten zu lassen. Aber im gleichen Moment richtete sie ihre Augen wieder aufs Land, weil sie auf einmal das Gefühl hatte, aus dem Augenwinkel etwas wahrgenommen zu haben. Langsam suchte sie den Horizont ab. Und dann lief ihr ein Schauer über den Rücken.
Auf einem niedrigen Hügel stand eine Löwin – wie ein dunkler Scherenschnitt gegen den Himmel.
»Moyo«, hauchte sie. Sie drehte sich um und konnte einen Schrei der Erregung kaum unterdrücken. »Sie ist gekommen!«
George trat zu ihr und beschattete seine Augen mit der Hand. »Möglicherweise ist sie es gar nicht«, warnte er. »Ich habe Simians Rudel schon in dieser Gegend gesehen.«
Die Löwin kam auf das Lager zu, eine goldbraune Gestalt vor dem grauen Hügel. Sie hob den Kopf und blickte suchend nach vorn.
George beobachtete sie aufmerksam. Einige Augenblicke vergingen, aber dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Sie ist es.« Er trat aus dem Schatten des Baumes und ging über
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