Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
Fleisch und Wasser und Schatten. Und sie ist vor Wilddieben sicher. Und außerdem habe ich neue Freunde für ihre Jungen. Zwei Waisenkinder – zwei männliche Löwen –, erst ein paar Wochen alt.«
Angel lächelte und zeigte dabei eine Lücke in ihren Milchzähnen. Einen Moment lang sah sie aus wie das glückliche Kind auf dem Foto, das Emma in Lauras Brieftasche gefunden hatte. Dann jedoch verzog sie besorgt das Gesicht.
»Was ist mit mir?«
»Du kommst auch mit.«
Nachdenklich kaute Angel auf ihrem Daumen. Erneut blickte sie Moyo an, als ob sie sich Rat von ihr erwartete.
George ging auf den Landrover zu. Er legte die Flasche in den Kasten und blieb an der Ladefläche stehen.
Moyo hob den Kopf und stieß einen leisen, schroffen Laut aus. Sie blickte ihre Jungen an und wandte sich dann zum Landrover. Mit einem einzigen Satz sprang sie über die Haube aufs Dach. Dort drehte sie sich einmal und beschnüffelte die Farbe. Sie blickte zu Angel und den Jungen und stieß erneut den schroffen Laut aus. Dann legte sie sich entspannt auf das Dach.
Eines ihrer Jungen lief ebenfalls zum Wagen; ein zweites folgte. Als sie den Landrover erreichten, nahm George sie hoch.
»Wenn du hochkletterst«, rief er Angel zu, »reiche ich sie dir.«
Das dritte Junge machte ebenfalls ein paar Schritte auf den Wagen zu, setzte sich dann aber und schaute Angel aus großen, runden Augen an. Das Mädchen zögerte; es wirkte unentschlossen. Emma blieb ganz still stehen und hielt beinahe den Atem an. Sie merkte, dass es Daniel, der neben ihr stand, genauso ging.
Langsam trat Angel auf George zu. Das dritte Junge erhob sich und ging mit ihr, dicht an ihren Knöcheln. Am Landrover angekommen, kletterte sie auf die Ladefläche. George reichte ihr nacheinander die Jungen. Eng aneinandergedrängt standen sie neben der Metallkiste, Moyos Kopf über ihnen.
Angel setzte sich im Schneidersitz hin und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Fahrerkabine. Sie breitete die Arme aus, und die Jungen schmiegten sich an sie.
Rasch ging auch Emma zum Landrover, und Daniel folgte ihr. Am liebsten wäre ihr gewesen, George wäre sofort losgefahren, für den Fall, dass Angel ihre Meinung änderte – aber an der Beifahrertür blieb sie zögernd stehen. Eine von Moyos Pfoten hing halb über die Scheibe. Sie sah, dass auf Georges Seite ihr Schwanz wie ein dickes braunes Seil mit einer schwarzen Quaste herabhing. George schob ihn einfach beiseite, bevor er die Tür öffnete und einstieg. Sie zwang sich dazu, die schwere Pfote, die sich so nahe neben ihrem Kopf befand, hochzuheben. Sie spürte die rauhen, trockenen Ballen, das dicke Fell, das dazwischen wuchs, die Härte der Krallen. Sie schob die Pfote beiseite, öffnete die Tür und stieg ein. Während sie in die Mitte rutschte, stieg auch Daniel ein und schloss die Tür, wobei er sorgfältig darauf achtete, die Pfote nicht einzuklemmen.
Emma wandte sich ihm zu, und sie lächelten einander erleichtert an.
»Wir haben sie gefunden«, sagte sie leise.
»Und es geht ihr gut«, fügte Daniel hinzu.
Tiefe Zufriedenheit breitete sich in Emma aus. Das hatten sie zusammen erreicht.
»Sie spricht Maa wie jemand, der bei uns geboren wurde«, sagte Daniel verwundert und beeindruckt. »Wir haben Vokale, die andere noch nicht einmal hören, geschweige denn aussprechen können. Ich habe gehört, wie sie sie benutzt hat.«
»Sie ist ein außergewöhnliches kleines Mädchen«, sagte George. »Sie besitzt großen Mut.« Er ließ den Motor an. »Und Moyo hat ihre Sache auch gut gemacht. Drei Junge in diesem Gebiet am Leben zu halten ist nicht einfach. Und sie hatte auch noch Angel.« Er sprach lauter, um den Lärm des Motors zu übertönen. »Für Löwen ist es ganz natürlich, für zusätzlichen Nachwuchs zu sorgen. Die Weibchen des Rudels synchronisieren ihren Zyklus, so dass sie ungefähr um die gleiche Zeit gebären. Sie säugen auch die Jungen der anderen.«
Emma öffnete den Mund, aber es dauerte einen Moment, bis sie ihre Frage formuliert hatte. »Wollen Sie damit sagen, Sie glauben, dass sie … Angel gesäugt hat?« Aber eigentlich wusste sie die Antwort bereits – das Kind sah so gesund, so behütet aus.
»Nun, von Wüstengras und Beeren hat sie nicht gelebt«, erwiderte George. »Und wie Sie sehen können, fühlt sie sich bei den Löwen absolut wohl. Sie gehört sozusagen zur Familie.«
Schweigend fuhren sie weiter. Jeder hing seinen eigenen Gedanken über das Erlebte nach. Emma blickte an Daniel
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