Das Herz einer Löwin: Roman (German Edition)
ein paar Schritte und reckte den Kopf zu dem Hügel, von dem sie gekommen war. Unruhig stieß sie einen dumpf grollenden Laut aus. Erneut ging sie zwei Schritte vorwärts, blieb stehen und blickte sich um. Dann ging sie weiter.
George nickte. »Braves Mädchen, Moyo.« Seine Augen leuchteten vor Stolz, als er zu Emma und Daniel sagte: »Sie bringt uns zu ihrer Höhle.« Er wandte sich an Daniel. »Ich laufe ein Stück mit ihr. Sie beide folgen im Landrover. Wenn sie weiß, dass wir mitkommen, steige ich auch ein. Es könnte ziemlich weit sein.«
Moyo lief in gleichmäßigem Tempo über die steinige Ebene. Die Hitze flimmerte um sie herum wie eine Aura, und ihre Pranken wirbelten kleine Staubwolken auf. Daniel fuhr direkt hinter ihr her, wie George ihn angewiesen hatte, nur ein paar Meter von dem dunklen Haarbüschel an ihrer Schwanzspitze entfernt.
»Sie hat keine Angst vor dem Landrover«, sagte Daniel und blickte an Emma vorbei zu George, der am Fenster saß.
»Sie liebt den Landrover«, erwiderte George. »Wenn sie uns nicht führen müsste, würde sie hier oben liegen.« Er klopfte auf das Dach der Kabine. »Ich musste das Dach verstärken lassen, damit es ihr Gewicht aushält.« Er lachte leise. »Sie merkte immer sofort, wenn ich in die Stadt fahren wollte, und da sie es hasste, allein zu bleiben, sprang sie aufs Autodach. Sie war durch nichts zu bewegen, wieder herunterzukommen.«
»Und was haben Sie gemacht?«, fragte Emma.
»Ich habe sie mitgenommen. Es hat immer einen kleinen Aufruhr gegeben, aber sie machte keine Probleme, außer wenn sie irgendwo Hühner sah. Dann sprang sie herunter, packte den Vogel und verspeiste ihn oben.« Er lachte. »Ich habe ein Vermögen für Hühner ausgegeben.«
Emma beugte sich vor und beobachtete Moyo, die zwischen den Felsbrocken entlanglief. Die Löwin blickte sich nicht um. Sie behielt ihr Tempo bei und vertraute offensichtlich darauf, dass sie ihr folgten. Emma schüttelte den Kopf. Irgendwie kam ihr die Situation unwirklich vor.
»Ich sollte Sie vorwarnen«, sagte George. »Es besteht die Möglichkeit, dass wir auch auf wilde Löwen treffen. Auf Moyos Rudel.«
Emma blickte ihn an. »Sie meinen, Angel war nicht nur mit ihr und ihren Jungen zusammen?«
»Am Grab scheinen sie allein gewesen zu sein, aber normalerweise bringt eine Löwin ihre Jungen zum Rudel, wenn sie sechs bis acht Wochen alt sind. Moyos Junge müssen älter sein, sonst wären sie nicht so weit gekommen. Es ist doch erst vier oder fünf Tage her, oder? Das ist eine weite Strecke.« Er zupfte an seinem Bart. »Sie ist jeden Tag weitergezogen.«
Emma hörte an seinem Tonfall, dass das ungewöhnlich war. »Warum mag sie das getan haben?«
»Ich glaube, sie wollte zurück ins Löwencamp.« Georges Stimme war weich vor Bewunderung. »Sie wollte mir das vermisste Kind bringen.«
»Glauben Sie wirklich?«, fragte Emma.
»Ohne jeden Zweifel. Löwinnen suchen sich häufiger eine neue Höhle, um nicht zu starke Gerüche zu hinterlassen, aber sie wechseln nicht jeden Tag das Lager. Dahinter steckte eine Absicht.«
Emma starrte auf Moyo. Sie presste die Hände zusammen und schob sie zwischen die Knie. Ihr war schlecht vor Aufregung und Nervosität. Das Ende der Suche war jetzt so nahe. Die Möglichkeit, dass Angel nicht in der Höhle sein könnte, wollte sie gar nicht erst in Betracht ziehen. Die Alternative war schon beängstigend genug. Möglicherweise würden sie auf ein Kind treffen, das zutiefst traumatisiert, hungrig, erschöpft und verängstigt war. Sie würde schmutzig sein, mit infizierten Wunden, Sonnenbrand, verfilzten Haaren, zerrissenen Kleidern …
»Das sind die Regeln, wenn wir auf andere Löwen treffen«, unterbrach George ihre Gedanken. »Machen Sie keine plötzlichen Bewegungen. Hocken Sie sich nie hin, und gehen Sie nicht um die Löwen herum – sie werden glauben, Sie wollten sie angreifen. Und gehen Sie nie geradewegs auf sie zu. Bleiben Sie an der Seite oder hinter mir, denn wenn Sie stolpern, halten die Tiere Sie für Beute. Fassen Sie die Jungen erst an, wenn die Mutter Sie dazu auffordert – Sie merken deutlich, wenn das der Fall ist. Laufen Sie nie vor einem Löwen weg. Bleiben Sie stehen. Als letztes Mittel können Sie Ihre Arme wie die Hörner eines Bullen hochnehmen.« Er legte Emma die Hand auf die Schulter. »Aber machen Sie sich keine Sorgen, Löwen sind selten gefährlich.«
Schweigend fuhren sie weiter. Die Löwin trottete unermüdlich voraus. Dann wurde sie
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