Das Herz Eines Highlanders
anderem einer, der unter Mitwirkung Adriennes im vergangenen Jahr gewebt worden war und eine Szene von Christi Geburt zeigte: eine strahlende Madonna, die den kleinen Jesus im Arm hielt, während der stolze Joseph und die Weisen aus dem Morgenland zusahen.
Heute war der Saal frei von Binsen und die Steine waren zu einem fleckenlosen Grau gescheuert. Später, nur Augenblicke vor der Hochzeit, würden sie getrocknete Rosenblätter über die Steine streuen, um die Luft mit beschwingendem Blumenduft zu erfüllen. Mistelzweige hingen von jedem Balken herab und Adrienne betrachtete das Blattwerk und sah auf zu Hawk, der auf einer Leiter stand und einen Kranz an der Wand befestigte.
»Was hat es mit all diesen hübschen Zweigen auf sich, die du aufgehängt hast, Hawk?«, fragte Adrienne, die Unschuld in Person.
Hawk sah zu ihr hinunter. »Mistelzweige. Es ist eine Weihnachtstradition. «
»Worin besteht die Verbindung zum Weihnachtsfest?«
»Die Legenden sagen, dass der skandinavische Gott des Friedens, Balder, durch einen Pfeil, der aus einem Mistelzweig gefertigt war, getötet wurde. Die anderen Götter und Göttinnen liebten Balder so sehr, dass sie darum baten, er möge ins Leben zurückgerufen werden und dem Mistelzweig möge eine besondere Bedeutung zukommen.«
»Welche besondere Bedeutung?« Adrienne blinzelte erwartungsvoll zu ihm hoch.
Hawk glitt geschwind von der Leiter, glücklich, es vorführen zu können. Er küsste sie dermaßen leidenschaftlich, dass die glühenden Kohlen des Verlangens, die in der Nähe ihres Gatten ohnehin schon eine stetige Hitze ausstrahlten, zu lodernden Flammen aufstoben. »Wer unter dem Mistelzweig steht, muss gründlich geküsst werden.«
»Mmm. Diese Tradition gefällt mir. Aber was geschah mit dem armen Balder?«
Hawk grinste und setzte einen weiteren Kuss auf ihre Lippen. »Balder wurde ins Leben zurückgeholt, und die Göttin der Liebe wurde auserkoren, die Mistelzweige in ihre Obhut zu nehmen. Immer wenn unter dem Mistelzweig geküsst wird, fassen Liebe und Frieden in der Welt der Sterblichen stärker Fuß.«
»Wie bezaubernd«, rief Adrienne aus. Ihre Augen funkelten schelmisch. »Das heißt also im Wesentlichen, je öfter ich dich unter diesem Zweig küsse«, sie zeigte nach oben, »umso mehr Gutes tue ich für die Welt. Man könnte sagen, dass ich der ganzen Menschheit helfe, indem ich meine Pflicht tue ...«
»Deine Pflicht?« Hawk zog eine Augenbraue hoch.
Lydia lachte und zog Tavis ebenfalls unter einen Zweig. »Für mich klingt das nach einer guten Idee, Adrienne. Vielleicht können wir all die überflüssigen Fehden in diesem Land beenden, wenn wir uns nur lange genug küssen.«
Die nächsten Minuten gehörten den Liebenden, bis die Tür aufgestoßen wurde und eine Wache die Ankunft ihrer Gäste ankündigte.
Adriennes Blick schoss durch den Hauptsaal, um zu prüfen, ob irgendetwas übersehen worden war. »Wie sage ich es noch mal?«, fragte sie Lydia aufgeregt. Sie hatte versucht, ihr Gälisch zu verbessern, um die Gäste mit einem angemessenen »Frohe Weihnachten« begrüßen zu können.
»Nollaig Chridheil«, wiederholte Lydia langsam.
Adrienne wiederholte es einige Male, dann hakte sie sich bei Hawk unter und lächelte selig. »Mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen, Hawk«, sagte sie zufrieden.
»Wie lautete der verfluchte Wunsch überhaupt?«, fragte Hawk leicht verstimmt.
»Dass Grimm Roderick die Frau finden möge, die sein Herz heilen würde, so wie du meins geheilt hast, mein Geliebter.« Adrienne würde einen Mann niemals >strahlend< nennen; es schien ein weibliches Wort zu sein. Doch als ihr Ehemann mit liebevoll glühenden Augen auf sie hinunterblickte, flüsterte sie ein inbrünstiges >Danke< in Richtung der Geburtsszene. Dann fügte sie ein stilles Dankgebet für sämtliche Wesen hinzu, die für die Vorgänge verantwortlich waren, die sie fünfhundert Jahre durch die Zeit getragen hatten, um ihn zu finden. Schottland war ein magischer Ort, reich an Legenden, und Adrienne umarmte sie alle, weil der zugrunde liegende Gedanke universell war: Liebe überdauerte und sie konnte alles heilen.
Es war eine traditionelle Hochzeit, soweit davon bei einem Mann der Legende - keinem Geringerem als einem Berserker - in Anwesenheit zweier weiterer epischer Krieger die Rede sein konnte. Die Frauen machten jede Menge Aufhebens und die Männer brachten Trinksprüche aus. In letzter Minute kamen Elizabeth und Gibraltar St. Clair an. Sie waren geritten wie
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