Das Herz Eines Highlanders
davonstapfte.
Als Grimm zum Abendessen erschien, trug er einen sauberen Tartan. Sein Haar war nach einem kürzlichen Bad noch nass und glatt zurückgekämmt und sein Hemd war in der Mitte des Rückens säuberlich in zwei Hälften zerrissen. Die losen Enden flatterten über dem Tartan und für Jillians Wohlbefinden war eindeutig zu viel seines muskulösen Rückens sichtbar.
»Was ist mit deinem Hemd passiert, Grimm?«, fragte Quinn neugierig.
Grimm blickte über den Tisch zu Jillian.
Jillian hob den Kopf und versuchte, selbstgerecht finster dreinzublicken, was ihr nicht gelang. Er sah sie mit jenem seltsamen Ausdruck an, den sie nicht deuten konnte, mit demselben Ausdruck, den sie schon bei seiner Ankunft bemerkt hatte, als er immer wieder ihren Namen ausgesprochen hatte - und sie verschluckte ihren Zorn mit einem Bissen Brot, das unglaublich trocken geworden war. Das Gesicht des Mannes war makellos symmetrisch. Dunkle Bartstoppeln unterstrichen die Höhlung unier seinen Wangenknochen und betonten sein arrogantes Kinn. Das nasse Haar, mit einem Lederriemen zusammengehalten, glänzte wie Ebenholz im flackernden Licht. Seine blauen Augen leuchteten in dem gebräunten Gesicht und die weißen Zähne blitzten, wenn er sprach. Seine Lippen waren fest, rosafarben, sinnlich und momentan zu einem höhnischen Lächeln verzogen.
»Ich hatte Krach mit einer schlecht gelaunten Katze«, sagte Grimm und hielt ihrem Blick stand.
»Nun, wieso wechselst du es nicht?«, fragte Ramsay.
»Ich habe nur das eine mitgenommen«, sagte Grimm zu Jillian.
»Du hast nur ein Hemd mitgenommen?«, schnaubte Ramsay ungläubig. »Bei Odins Speer, Grimm, du kannst dir tausend Hemden leisten. Wirst wohl zum Geizhals, wie?«
»Es ist nicht das Hemd, was den Mann ausmacht, Logan.«
»Da hast du verdammt Recht.« Behutsam glättete Ramsay die Falten seines schneeweißen Leinens. »Hast du daran gedacht, dass es ihn widerspiegelt?«
»Ich bin sicher, eine Magd kann es dir flicken«, sagte Quinn. »Oder ich kann dir eins leihen.«
»Mir macht es nichts aus, es so zu tragen. Und was das Widerspiegeln angeht, wer sieht es schon?«
»Du siehst aus wie ein Leibeigener, Roderick.« Ramsay lächelte höhnisch.
Jillian gab ein resignierendes Geräusch von sich. »Ich werde es flicken«, murmelte sie und blickte auf ihren Teller, um die verblüfften Gesichter der Männer nicht sehen zu müssen.
»Du kannst nähen, Mädchen?«, fragte Ramsay zweifelnd.
»Natürlich kann ich nähen. Ich bin als Frau kein kompletter Fehlschlag, nur weil ich alt und unverheiratet bin«, schnauzte Jillian.
»Aber machen das nicht die Dienstmädchen?«
»Manchmal tun sie es und manchmal nicht«, antwortete Jillian geheimnisvoll.
»Fühlst du dich wohl, Jillian?«, fragte Quinn. »Oh, würdest du bitte einfach den Mund halten?«
Kapitel 6
Es machte sie wütend. Jedes Mal, wenn sie die schiefen Stiche betrachtete, die Grimms Hemd zusammenhielten, fühlte sie, wie sie zu einem reizbaren, kleinäugigen Stachelschwein wurde. Es war so erniedrigend, als hätte sie ihm die Worte »Jillian hat die Kontrolle verloren und ich werde sie es niemals vergessen lassen« auf den Rücken gestickt. Sie konnte selbst nicht glauben, dass sie es zerrissen hatte, aber jahrelanges Erleiden seiner Quälereien als Kind hatten das Unglück heraufbeschworen, und sie hatte sich einfach vergessen.
Er war wieder auf Caithness. Er war unverbesserlich attraktiv und er behandelte sie immer noch genauso, wie er es getan hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Wie könnte sie ihn nur dazu bringen zu erkennen, dass sie kein Kind mehr war? Na, hör zuerst einmal auf, dich so zu verhalten, hielt sie sich vor. Seit dem Moment, als sie zärtlich sein Hemd geflickt hatte, trachtete sie danach, ihm aufzulauern, ihn des verruchten Erinnerungsstückes zu berauben und es fröhlich zu verbrennen. Eine solche Tat hätte ihn jedoch in seiner Annahme bestärkt, dass sie eine Vorliebe für geistlose Handlungen hegte, also hatte sie sich drei Hemden aus feinerem Stoff besorgt, makellos genäht und hatte die Dienstmädchen angewiesen, sie in sein Zimmer zu legen. Trug er sie?
Nicht eines davon.
Jeden Tag aufs Neue zog er dasselbe Hemd mit der lächerlichen Falte im Rücken an. Sie hatte erwogen, ihn zu fragen, weshalb er die neuen nicht tragen wolle, aber dann konnte sie auch gleich eingestehen, dass sein Unterfangen, ihr ein schlechtes Gewissen zu machen, erfolgreich war. Lieber würde sie sterben, als
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