Das Herz Eines Highlanders
zusammen mit einer kühlen Morgenbrise durch die Leisten der Fensterläden. Er spürte, wie die melancholischen Töne an den starren Fensterläden seines Herzens rüttelten. Jillian war auf Caithness allgegenwärtig: blühend in den Blumenarrangements auf den Tischen, leuchtend im Lächeln der Kinder, eingewoben in die erlesenen Wandteppiche. Man konnte ihr nicht entkommen. Und nun wagte sie es, mit einem alten gälischen Liebeslied in seinen Schlaf einzudringen. Die Melodie schwang sich mit solch tief empfundenen Seelenqualen empor zu einem hohen Wehklagen und fiel dann ab zu einem solch tiefen Jammern, dass er aufstöhnte. Als ob sie um den Schmerz unerfüllter Liebe wusste! Sie war schön, makellos, gesegnet mit Eltern, Heim, Familie, einem Ort, wo sie hingehörte. Es hatte ihr nie an Liebe gemangelt und er konnte sich gewiss keinen Mann vorstellen, der ihr irgendetwas verweigern könnte. Wo hatte sie gelernt, ein herzzerreißendes Liebeslied mit solch tiefem Einfühlungsvermögen zu spielen?
Er sprang aus dem Bett, stürmte zum Fenster und riss die Fensterläden so heftig auf, dass sie gegen die Mauern krachten. »Du spielst das blöde Zeug also immer noch?«, schrie er. Gott, war sie schön. Und Gott möge ihm vergeben - er wollte sie immer noch, wollte sie mit Leib und Seele wie schon vor Jahren. Damals hatte er sich gesagt, dass sie zu jung sei. Nun, da sie eine erwachsene Frau war, konnte er sich dieser Entschuldigung nicht länger bedienen.
Sie stand unter ihm auf einem Felsvorsprung und blickte auf den See hinaus. Die Sonne stand wie eine weiche, goldene Halbkugel am Horizont des silbrig schimmernden Sees. Ihr Rücken war zu ihm gewandt. Sie versteifte sich; das bittersüße Lied holperte und erstarb.
»Ich dachte, du wärst im Ostflügel«, sagte Jillian, ohne sich umzudrehen. Ihre Stimme drang so deutlich an sein Ohr wie zuvor die Melodie, obwohl sie sechs Meter unter ihm stand.
»Ich suche mir meinen eigenen Bereich, Pfauhenne, wie ich es immer getan habe.« Er lehnte sich leicht aus dem Fenster und saugte jedes Detail ihres Anblicks in sich auf: blondes Haar, das sich im Wind kräuselte, die stolze Haltung ihrer Schultern, die hochmütige Neigung ihres Kopfes, während sie auf den See hinausblickte, als könne sie Grimms Anwesenheit kaum ertragen.
»Geh nach Hause, Grimm«, sagte sie kalt.
»Ich bleibe nicht wegen dir, sondern wegen deines Vaters«, log er.
»Du bist ihm so treu ergeben? Du, der niemandem ergeben ist?«, höhnte sie.
Er fuhr zusammen. »Ergebenheit gehört durchaus zu meiner Natur. Es ist einfach nur so, dass so wenige sie verdienen. «
»Ich will dich hier nicht«, schleuderte sie ihm über die Schulter entgegen.
Es irritierte ihn, dass sie sich nicht zu ihm umdrehen wollte; es war das mindeste, was man erwarten konnte, wenn sie sich gegenseitig Gemeinheiten an den Kopf warfen. »Es ist mir gleichgültig, was du willst«, zwang er sich zu sagen. »Dein Vater hat mich hierher beordert, und hier werde ich bleiben, bis er mich entlässt.«
»Ich habe dich entlassen!«
Grimm schnaubte. Wünschte sich, dass sie ihn entlassen könnte, doch was auch immer ihn an Jillian band war unzerstörbar. Er musste es wissen: Er hatte jahrelang versucht, das Band zu zerschneiden, sich nicht darum zu kümmern, wo sie war, wie es ihr erging, ob sie glücklich war.
»Die Wünsche einer Frau sind unbedeutend, wenn sie gegen die eines Mannes aufgewogen werden«, sagte er, sicher, dass eine Beleidigung des ganzen weiblichen Geschlechts sie dazu bringen würde, sich umzudrehen, damit er die Leidenschaft ihrer Wut genießen konnte - anstelle der sinnlichen Leidenschaft, die er schon so lange verzweifelt in ihr entfachen wollte. Berserker, wies ihn sein Verstand zurecht. Lass sie in Frieden - du hast kein Recht.
»Du bist ein solcher Bastard!« Unwissentlich erfüllte Jillian seine geheimsten Wünsche und wirbelte so schnell herum, dass sie beinahe stürzte. Ihr kurzer Strauchler beschenkte ihn mit einem atemberaubenden Blick auf die Wölbung ihrer Brüste, die sich in einem sanften Tal trafen, das unter dem Leibchen ihres Kleides entschwand. Ihre Haut war so hell, dass er eine schwache Spur blauer Adern durchschimmern sah. Er presste sich gegen den Fenstersims, um die plötzliche Wölbung unter seinem Kilt zu verbergen.
»Manchmal könnte ich schwören, dass du es darauf anlegst, mich zu provozieren.« Sie warf ihm einen finsteren Blick zu, als sie sich mit der Hand vom Boden abstieß und sich
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