Das Herz Eines Highlanders
Sie stellte sich vor, ihr Körper würde dort, wo sie kniete, Wurzeln schlagen. Um weiterhin von ihm berührt zu werden, würde sie freiwillig in dem kleinen Hinterhof alt werden und Wind und Regen, Hagel und Schnee sorglos ertragen. Wie gefangen von dem Schimmer des Zauderns in seinem Blick hob sie den Kopf, und er schien sich nach vorne und hinunter zu bewegen, als habe er, durch einen zufälligen Windhauch angestoßen, eine unerwartete und glückliche Entdeckung gemacht.
Seine Lippen waren einen Atemzug von ihren entfernt und sie wartete mit rasendem Herzen.
»Jillian! Jillian, bist du da draußen?«
Jillian schloss die Augen und wünschte den Besitzer der aufdringlichen Stimme in die Hölle und noch weiter. Sie spürte die leichte Berührung von Grimms Lippen auf ihren, als er sie schnell, zart küsste, doch das war nicht das, was sie sich erhofft hatte. Sie wollte, dass seine Lippen sich auf ihre pressten, sie wollte seine Zunge in ihrem Mund und seinen Atem in ihren Lungen, sie wollte alles, was er zu geben hatte.
»Es ist Ramsay«, sagte Grimm. »Er kommt. Komm hoch von den Knien, Mädchen. Sofort.«
Jillian rappelte sich hoch und trat zurück. Verzweifelt versuchte sie, Grimms Gesicht zu sehen, doch sein dunkler Kopf war nach vorn gesunken zu der Stelle, wo ihrer noch vor einem Augenblick gewesen war. »Grimm«, flüsterte sie eindringlich. Sie wollte, dass er den Kopf hob; sie musste seine Augen sehen. Sie wollte die Bestätigung, dass sie wirklich Verlangen in seinen Augen gesehen hatte.
»Mädchen.« Er stieß das Wort aus wie einen Seufzer, den Kopf noch immer gebeugt.
»Ja?«, flüsterte sie atemlos.
Seine Hände krallten sich in die Falten seines Kilts und sie wartete, bebend.
Hinter ihnen schlug klappernd die Tür auf und schloss sich wieder. »Jillian«, rief Ramsay, als er den Hof betrat. »Da bist du ja. Ich bin so froh, dass du zu uns gestoßen bist. Ich dachte, du würdest mich vielleicht gern auf den Jahrmarkt begleiten. Was macht dein Pferd da auf dem Boden, Roderick?«
Verzweifelt hielt Jillian den Atem an, ohne sich zu Ramsay umzudrehen. »Was, Grimm? Was?«, flehte sie mit drängendem Flüstern.
Er hob den Kopf. Ein Schimmer von Trotz lag in seinen blauen Augen. »Quinn ist in dich verliebt, Mädchen. Ich denke, das solltest du wissen«, sagte er leise.
Kapitel 12
Geschickt entledigte Jillian sich Ramsays, indem sie ihm erklärte, dass sie >Frauensachen< zu besorgen habe - eine Aussage, die ihn ohne weitere Umstände zur Flucht veranlasste. So war sie in der Lage, den Nachmittag mit Hatchard und Kaley beim Einkaufen zu verbringen. Beim Silberschmied erwarb sie eine neue Gürtelschnalle für ihren Papa. Vom Gerber kaufte sie drei schneeweiße Lammfelldecken - sündhaft dick und weich wie Kaninchenfell. Beim Goldschmied feilschte sie hartnäckig um winzige, getriebene Goldsterne, um damit ein neues Kleid zu verzieren.
Aber die ganze Zeit über war sie in Gedanken wieder auf dem Hinterhof und verweilte bei dem geheimnisvollen, sinnlichen Mann, der ihr einen ersten Blick durch einen Riss in den massiven Mauern, die sein Herz umgaben, gewährt hatte. Es hatte sie verwirrt, überwältigt und in ihrer Entschlossenheit bestärkt. Jillian zweifelte keinen Augenblick an dem, was sie gesehen hatte. Grimm Roderick empfand etwas für sie. Begraben unter Bergen von Schutt - den Überbleibseln einer Vergangenheit, von der sie zu glauben begann, dass sie grausamer war, als sie es sich vorstellen konnte - war da ein sehr wirklicher, verwundbarer Mann.
In seinem starren Blick hatte sie gesehen, dass er sie begehrte, aber noch entscheidender war, dass er Gefühle hatte, die so tief waren, dass er sie nicht ausdrücken konnte, und deshalb alles in seiner Macht Stehende tat, um sie zu verleugnen. Das gab ihr genügend Hoffnung, um darauf aufzubauen. Nicht für eine Sekunde zweifelte Jillian, ob er der Mühe wert war - sie wusste, er war es. Er hatte all das zu bieten, was sie sich je von einem Mann gewünscht hatte. Jillian begriff, dass Menschen nicht makellos daherkommen; manchmal waren sie so furchtbar entstellt, dass es der Liebe bedurfte, sie zu heilen und ihnen zu ermöglichen, die eigenen Fähigkeiten zu entdecken. Manchmal hatten gerade die so furchtbar Entstellten die größte Tiefe und das meiste zu bieten, weil sie den unschätzbaren Wert der Zärtlichkeit verstanden. Sie wollte die Sonne sein, die auf den Mantel der Gleichgültigkeit brannte, den er vor so vielen Jahren angelegt
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