Das Herz Eines Highlanders
Ein Schluchzen kam in ihr hoch, so schmerzvoll, dass sich ihre Stimme überschlug. »Feigling«, flüsterte sie.
Kapitel 22
Ronin führte den Schlüssel in das Schlüsselloch ein, zögerte und warf sich endlich entschlossen in die Brust. Er blickte auf die hohe Eichentür, die in Stahl gefasst war. Sie erhob sich weit über seinen Kopf, eingelassen in ein stattliches Felsengewölbe. Deo non fortuna war in fließenden Buchstaben über der Wölbung eingemeißelt - »Durch Gott, nicht durch Zufall.« Seit Jahren hatte Ronin diese Worte verleugnet, hatte sich geweigert, diesen Ort zu besuchen, in dem Glauben, dass Gott sich von ihm abgewandt hatte. Deo non fortuna war der Wahlspruch, nach dem sein Clan gelebt hatte, in dem Glauben, dass ihre außergewöhnlichen Gaben gottgegeben waren und einen Sinn hatten. Dann hatte seine >Gabe< Jolyns Tod zur Folge gehabt.
Voller Anspannung holte Ronin tief Luft und zwang sich, den Schlüssel umzudrehen und die Tür aufzustoßen. Rostige Beschläge kreischten aus Protest über die lange Vernachlässigung. Spinnweben tanzten im Durchgang und der muffige Geruch vergessener Legenden begrüßte ihn. Willkommen in der Hall of Lords, schrien die Legenden ihm entgegen. Hast du wirklich geglaubt, du könntest uns vergessen?
Eintausend Jahre der Geschichte der Mclllioch schmückten die Halle. Tief in den Bauch des Berges getrieben, erhob sich die Kammer Schwindel erregende fünfzehn Meter hoch. Die gewölbten Wände trafen in einem königlichen Bogen zusammen und die hohen Decken waren bemalt mit getreuen Abbildungen der sagenumwobenen Helden ihres Clans.
Sein eigener Vater hatte ihn hierher gebracht, als er sechzehn geworden war. Er hatte ihm ihre noble Vergangenheit erklärt und hatte Ronin durch die Veränderung geleitet - eine Führung, die Ronin seinem eigenen Sohn nicht hatte geben können.
Aber wer hatte ahnen können, dass Gavrael sich so viel früher verändern würde, als es jedem anderen von ihnen geschehen war. Die Schlacht gegen die McKane, die der brutalen Ermordung seiner Jolyn so schnell auf dem Fuße gefolgt war, hatte Ronin zu sehr erschöpft, hatte ihn zu sehr vor Trauer erstarren lassen, als dass er sich seines Sohnes hätte annehmen können. Obwohl Berserker nur schwer zu töten waren, dauerte es seine Zeit, bis sie sich erholten, wenn sie nur schwer genug verwundet waren. Ronin hatte Monate gebraucht. An dem Tag, als die McKane seine Jolyn ermordet hatten, ließen sie die Hülle eines Mannes zurück, der nicht gesund werden wollte.
Übermannt von seiner Trauer, hatte er seinen Sohn vernachlässigt. Er war nicht in der Lage gewesen, ihn in das Leben eines Berserkers einzuführen, ihn in die Geheimnisse einzuweihen, den Blutrausch zu kontrollieren. Er war nicht da gewesen, zu erklären. Er hatte versagt und sein Sohn war fortgerannt, um ein neues Leben und eine neue Familie zu finden.
Als die darauf folgenden Jahre Ronins Körper verwitterten, hatte er jeden müden Knochen, jedes schmerzende Gelenk und jedes neu entdeckte graue Haar freudig begrüßt, denn es brachte ihn seiner geliebten Jolyn einen Tag näher.
Aber er konnte noch nicht zu Jolyn gehen. Er hatte noch einiges zu erledigen. Sein Sohn kam heim und dieses Mal würde er nicht versagen.
Mit äußerster Anstrengung lenkte Ronin seine Aufmerksamkeit weg von seiner tiefen Schuld und zurück auf die Hall of Lords. Er hatte es nicht einmal zustande gebracht, die Schwelle zu überschreiten. Er warf sich in die Brust. Dann ergriff er eine hell brennende Fackel und bahnte sich einen Weg durch die Spinnweben in das Innere der Halle. Seine Schritte hallten wie kleine Explosionen in der großzügig bemessenen Steinkammer wider. Er streifte ein paar Stücke verschimmelten, vergessenen Mobiliars und folgte der Wand zu dem ersten Porträt, das vor über tausend Jahren in den Stein geätzt worden war. Die ältesten Abbilder waren aus Stein, gemalt mit verblassten Mixturen aus Kräutern und Lehm. Die jüngeren Porträts waren Kohlezeichnungen und Gemälde.
Die Frauen auf den Bildern teilten einen verblüffenden Charakterzug miteinander. Sie alle hatten eine atemberaubende Ausstrahlung und strotzten vor Glück. Den Männern war ebenfalls ein besonderes Merkmal gemein. Alle neun- hundertachtundfünfzig Männer in dieser Halle hatten eisblaue Augen.
Ronin ging zu dem Porträt seiner Frau und hob die Fackel. Er lächelte. Hätte irgendeine heidnische Gottheit ihm einen Handel vorgeschlagen und gesagt: »Ich
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