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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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war
Religionsfreiheit so wichtig, dass sie sie für sich behielten und oft genug
andere Menschen verfolgten, die einen anderen Glauben hatten als sie. Genau aus
diesem Grund wollten die Gründerväter der Vereinigten Staaten ein für alle Mal
Schluss machen mit religiöser Intoleranz und machten die Religionsfreiheit zu
einem Eckpfeiler unserer Nation.«
    Es war ein Prozess ohne Geschworene, was
bedeutete, dass ich nur zu dem Richter predigen musste, aber der Gerichtssaal
war trotzdem voll. Auf den Zuschauerbänken saßen Reporter von vier Sendern,
Vertreter einer Opferschutzorganisation sowie Anhänger und Gegner der
Todesstrafe. Der Einzige, der zur Unterstützung von Shay da war - und mein
erster Zeuge -, war Father Michael, der direkt hinter dem Tisch des Klägers
Platz genommen hatte.
    Neben mir saß Shay in Hand- und
Fußschellen. »Deshalb garantiert unsere Verfassung jedem Bürger dieses Landes
das Recht auf freie Religionsausübung - selbst einem Häftling in der Todeszelle
einer Strafanstalt in New Hampshire, sofern dadurch weder die Sicherheit
anderer gefährdet noch der Betrieb der Strafanstalt beeinträchtigt wird.
Trotzdem hat der Staat New Hampshire Shay Bourne das Recht auf freie
Religionsausübung verwehrt.«
    Ich blickte zu dem Richter hoch. »Shay
Bourne ist kein Muslim oder Anhänger der Wicca-Religion; er ist kein säkularer
Humanist und auch kein Mitglied der Bahai-Religion. Ja, sein Glaubenssystem ist
keiner der bekannten Weltreligionen zuzuordnen. Aber es ist dennoch ein
Glaubenssystem, und dazu gehört, dass für Shay Bourne die Erlösung davon
abhängt, dass er nach seiner Exekution sein Herz der Schwester seines Opfers
spenden kann ... was nicht möglich ist, wenn die Exekution durch eine tödliche
Injektion vollstreckt wird.«
    Ich trat vor. »Shay Bourne wurde wegen
des vielleicht abscheulichsten Verbrechens in der Geschichte von New Hampshire
zum Tode verurteilt. Er hat gegen das Urteil mehrfach Berufung eingelegt, die
jedes Mal abgelehnt wurde - und er ficht diese Entscheidung nicht an. Er weiß,
dass er sterben wird, Euer Ehren. Er bittet lediglich darum, dass die Gesetze
dieses Landes erneut befolgt werden - insbesondere das Gesetz, das besagt, dass
jeder das Recht hat, seine Religion, gleich wo, gleich wann, gleich wie,
auszuüben. Wenn der Staat New Hampshire zustimmt, dass Shay Bourne durch den
Strang hingerichtet wird, und dafür sorgt, dass seine Organe anschließend
gespendet werden, wird weder die Sicherheit anderer Häftlinge gefährdet noch
der Betrieb der Strafanstalt beeinträchtigt - für Shay Bourne persönlich wäre
das allerdings ein ungemein wichtiges Ergebnis: Er würde ein kleines Mädchen
retten und dadurch seine eigene Seele.«
    Ich nahm wieder Platz und blickte Shay
an. Er hatte vor sich einen Notizblock liegen. Darauf hatte er einen Piraten
mit einem Papagei auf der Schulter gezeichnet.
    Am Tisch der Verteidigung saß Gordon
Greenleaf neben dem Commissioner der Strafvollzugsbehörde von New Hampshire,
einem Mann, dessen Haar und Teint die Farbe einer Kartoffel hatten. Greenleaf
klopfte mit seinem Bleistift zweimal auf den Tisch. »Ms Bloom hat die
Gründerväter unseres Landes erwähnt. Thomas Jefferson sprach 1789 in einem Brief von
einer >Trennmauer zwischen Kirche und Staat<. Er erläuterte den ersten
Zusatzartikel unserer Verfassung, der die Trennung von Staat und Kirche
vorschreibt. Und seine Worte wurden seitdem oftmals vom Obersten Bundesgericht
benutzt - das seit 1970 sogar den sogenannten Lemon-Test anwendet, der besagt, dass ein Gesetz
nur dann verfassungsgemäß ist, wenn es ein säkulares Ziel hat, Religion weder
fördert noch behindert und keine übermäßige Verflechtung von Staat und Religion
zur Folge hat. Das letzte Kriterium ist interessant - da Ms Bloom den
Gründervätern unserer Nation einerseits die noble Teilung von Kirche und Staat
hoch anrechnet... andererseits jedoch dieses Gericht ersucht, beides
miteinander zu verquicken.«
    Er stand auf und näherte sich der
Richterbank. »Wenn man genau hinschaut, Euer Ehren«, sagte Greenleaf, »wird
deutlich, dass meine werte Kollegin im Grunde verlangt, eine rechtskräftige
Strafe wegen eines Schlupflochs namens Religion abzuändern. Was kommt als
Nächstes? Ein verurteilter Drogendealer beantragt eine Umwandlung seiner
Strafe, weil Heroin ihm hilft, ins Nirwana zu gelangen? Ein Mörder verlangt,
dass sein Zellenfenster nach Mekka zeigt?« Greenleaf schüttelte den Kopf. »Die
Wahrheit sieht so

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