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Das Herz ihrer Tochter

Das Herz ihrer Tochter

Titel: Das Herz ihrer Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Beine
rasierte. Unten machte ich Olivers Käfig sauber und ließ ihn im Wohnzimmer
herumhoppeln, während ich mir zum Frühstück Rührei nur aus Eiweiß zubereitete.
Mit Weizenkeimen.
    Ich hielt immerhin siebenundvierzig
Minuten durch, bis ich die Oreos hervorholte, die ich in dem Karton mit meiner
zu engen Jeans versteckt hatte, eine allerletzte Chance für das schlechte
Gewissen, ehe ich die Packung aufriß und mir die Kekse schmecken ließ.
    Ich gab Oliver auch einen ab und hatte
gerade in meinen dritten Keks gebissen, als es an der Tür klingelte.
    Kaum hatte ich den Mann erblickt, der ein
pinkfarbenes T-Shirt mit dem Aufdruck FREU DICH MIT JESUS trug,
da wusste ich, dass das die Strafe für meine Nascherei war.
    »Wenn Sie in zehn Sekunden nicht
verschwunden sind, rufe ich die Polizei«, sagte ich.
    Er grinste mich an, ein breites,
blitzendes Zahnspangengrinsen. »Ich bin kein Fremder«, sagte er. »Ich bin ein
Freund, den Sie nur noch nicht kennen.«
    Ich verdrehte die Augen. »Wie wär's, wenn
wir die Sache abkürzen - Sie geben mir Ihre Traktätchen, ich weigere mich höflich,
mit Ihnen zu reden, dann schließe ich die Tür und werfe die Dinger ins
Altpapier.«
    Er streckte mir eine Hand entgegen. »Ich
bin Tom.«
    »Sie sind lästig«, sagte ich.
    »Auch ich war mal verbittert. Ich ging
morgens zur Arbeit und kam abends zurück in ein leeres Haus und aß eine halbe
Dosensuppe und fragte mich, wozu ich überhaupt auf dieser Erde war. Ich
glaubte, niemanden zu haben außer mich selbst -«
    »Und dann haben Sie den Rest Ihrer Suppe
Jesus angeboten«, beendete ich den Satz. »Hören Sie, ich bin Atheistin.«
    »Es ist nie zu spät, um zum Glauben zu
finden.«
    »Im Grunde meinen Sie damit, dass es für
mich nicht zu spät ist, zu Ihrem Glauben zu finden«, entgegnete ich und
grapschte nach Oliver, der auf die offene Tür zuflitzte. »Wissen Sie, was ich
glaube? Dass Religion ihren historischen Zweck erfüllt hat. Sie war ein
Regelwerk, an das man sich halten konnte, ehe wir ein Justizsystem erfanden.
Aber selbst wenn zu Anfang die besten Absichten zugrunde liegen, laufen die
Dinge irgendwann aus dem Ruder, nicht? Menschen tun sich zusammen, weil sie an
dieselben Dinge glauben, und auf einmal pervertiert das Ganze, sodass jeder, der
nicht an diese Dinge glaubt, im Unrecht ist. Ganz ehrlich, selbst wenn es eine
Religion gäbe, deren Prinzip es wäre, Gutes für andere Menschen zu tun oder
sich für ihre Rechte einzusetzen, wie ich das tagtäglich mache, ich würde ihr
nicht beitreten ... weil es immer noch eine Religion wäre.«
    Ich hatte Tom sprachlos gemacht. Das hier
war vermutlich die hitzigste Debatte, die er seit Monaten erlebt hatte, denn bestimmt
knallten ihm die meisten Leute die Tür gleich vor der Nase zu. Hinter mir
klingelte mein Telefon.
    Tom drückte mir eine Broschüre in die
Hand und suchte das Weite. Als ich die Tür schloss, warf ich einen Blick auf
das Titelblatt.
    GOTT+ DU = 00
    »Wenn Religion irgendwas mit Mathe zu tun
hat«, murmelte ich, »dann mit Teilen.« Ich warf die Broschüre auf die Zeitung,
mit der ich Olivers Käfig ausgelegt hatte, und eilte ans Telefon, ehe der
Anrufbeantworter anspringen konnte. »Hallo?«
    Die Stimme klang fremd, unsicher.
»Spreche ich mit Maggie Bloom?«
    »Am Apparat.« Ich überlegte mir schon
eine passende Bemerkung, um diese Telefonverkäuferin für die Störung am
Sonntagmorgen zusammenzustauchen.
    Aber sie war keine Telefonverkäuferin.
Sie war Krankenschwester im Concord Hospital, und sie rief an, weil ich als
Shay Bournes Kontaktperson für Notfälle aufgeführt war. Und es war ein Notfall
eingetreten.
     
    LUCIUS
     
    Es hätte niemand für möglich gehalten,
aber als Aufseher Smythe wieder zum Leben erwachte, wurde alles noch schlimmer.
    Die übrigen Aufseher mussten beim
Direktor Bericht erstatten, wie es zu dem Angriff auf ihren Kollegen kommen
konnte. Wir mussten in den Zellen bleiben, und am nächsten Tag übernahm ein
Team von neuen Aufsehern bei uns den Dienst. Als erste Maßnahme schickten sie
uns nacheinander zum Hofgang und unter die Dusche, wobei Pogie den Anfang
machen durfte.
    Ich hatte seit der Attacke auf Smythe
nicht geduscht, allerdings hatten die Aufseher Shay und mir eine frische
Gefängnismontur gegeben. Wir hatten etwas von Smythes Blut abgekriegt, und auch
nachdem ich mich am Waschbecken in der Zelle gewaschen hatte, fühlte ich mich
noch immer nicht richtig sauber. Während wir darauf warteten, endlich mit
Duschen an die

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