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Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Titel: Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carson McCullers
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Haus.
    Jede Kleinigkeit, die ihn betraf, war ihr wichtig. Er bewahrte Zahnbürste und Zahnpasta in einem Glas auf, das auf seinem Tisch stand. Also ließ auch sie ihre Zahnbürste nicht mehr auf dem Badezimmerregal liegen; sie tat sie in ein Glas. Er mochte keinen Kohl, wie Harry, der bei Mister Brannon arbeitete, ihr einmal erzählt hatte. Und jetzt konnte auch sie keinen Kohl mehr essen. Wenn sie etwas Neues über ihn erfuhr oder wenn er ein paar Worte mit seinem silbernen Bleistift aufschrieb, musste sie fern von allen Menschen lange darüber nachdenken. Wenn sie bei ihm war, richtete sie ihr ganzes Denken darauf, sich alles gut einzuprägen, um später alles noch einmal durchleben zu können.
    Aber es gab nicht nur ihre innere Welt mit Mister Singer und der Musik. Vieles geschah auch in der äußeren Welt. Sie fiel die Treppe herunter und schlug sich einen Vorderzahn aus. Miss Minner gab ihr in Englisch zweimal eine schlechte Note. Sie verlor auf einer Baustelle einen Vierteldollar und fand ihn nicht wieder, obwohl sie drei Tage lang mit George danach suchte. Und dann passierte noch etwas:
    Eines Nachmittags saß sie draußen auf der Hintertreppe, um sich auf eine Englischarbeit vorzubereiten. Drüben, jenseits des Zaunes, begann Harry Holz zu hacken. Sie rief nach ihm. Er kam herüber und half ihr ein paar Sätze zergliedern. Seine Augen blitzten munter hinter der Hornbrille. Nachdem er ihr den englischen Text erklärt hatte, stand er auf und fummelte nervös in den Taschen seines Lumberjacks herum. Harry war immer so zappelig und voll überschüssiger Kraft; jeden Augenblick hatte er was anderes zu erzählen oder zu tun.
    »Weißt du, heutzutage gibt’s halt bloß zwei Möglichkeiten«, sagte er.
    Das tat er mit Vorliebe: Leute verblüffen. Manchmal wusste sie nicht, was sie ihm antworten sollte.
    »Wirklich wahr: Heutzutage hat man bloß diese zwei Möglichkeiten.«
    »Welche denn?«
    »Für die Sache der Demokraten kämpfen oder Faschist werden.«
    »Und die Republikaner – magst du die nicht?«
    »Quatsch«, sagte Harry. »Ich mein was ganz andres.«
    Er hatte ihr eines Nachmittags genau erklärt, wie das mit den Faschisten war: dass die Nazis kleine Judenkinder zwangen, auf allen vieren zu kriechen und Gras zu fressen, und dass er sich fest vorgenommen habe, Hitler zu ermorden. Er hatte in Gedanken schon alles fix und fertig. Unter dem Faschismus gebe es weder Gerechtigkeit noch Freiheit, und die Zeitungen seien voller Lügen, so dass kein Mensch wisse, was in der Welt wirklich vorging. Dass die Nazis etwas Fürchterliches waren, wisse doch jedes Kind. Sie machte ein Komplott mit ihm, um Hitler zu beseitigen. Am besten war’s, noch vier oder fünf in die Verschwörung einzuweihen, dann konnten andere einspringen und ihn umlegen, falls einer ihn verfehlte. Sie würden alle Helden sein – selbst wenn sie’s mit dem Leben bezahlen müssten. Und ein Held war fast ebenso viel wie ein großer Musiker.
    »Entweder – oder. Ich bin zwar gegen den Krieg, aber ich bin bereit, für die gerechte Sache zu kämpfen.«
    »Ich auch«, sagte sie. »Gegen die Faschisten würd ich gern kämpfen. Ich könnt mich als Junge verkleiden, das würde keiner merken. Ich könnt mir auch die Haare abschneiden und so.«
    Es war ein heller Winternachmittag. Die Äste der Eichen im Hinterhof ragten schwarz und kahl in den grünlich-blauen Himmel. Die Sonne schien warm. Sie strotzte vor Energie, und ihr Kopf war voller Musik. Um irgendetwas zu tun, suchte sie sich einen großen Nagel, den sie mit ein paar gezielten Schlägen in eine Stufe trieb. Ihr Papa hörte die Hammerschläge, kam im Bademantel heraus und stand eine Weile herum. Unter dem Baum standen zwei Sägeböcke, und der kleine Ralph legte eifrig einen Stein bald auf den einen, bald auf den anderen Sägebock. Immer hin und her. Er hielt beim Gehen die Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten. Seine Windeln waren verrutscht und baumelten ihm um die krummen Beinchen. George spielte mit seinen Murmeln. Unter dem langen Haarschopf wirkte sein Gesichtchen ganz spitz. Er hatte schon ein paar zweite Zähne – aber die waren klein und bläulich, als hätte er Blaubeeren gegessen. Er zog eine Ziellinie und legte sich auf den Bauch, um auf das erste Loch zu zielen. Als ihr Papa wieder an seine Uhrmacherarbeit ging, nahm er Ralph mit sich. Nach einer Weile verschwand George im Seitengässchen. Seit er Baby angeschossen hatte, wollte er mit niemandem mehr befreundet

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