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Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition)

Titel: Das Herz ist ein einsamer Jäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carson McCullers
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und alles war wieder in Ordnung.
    »Wiedersehn«, sagte Harry. Er war schon zu groß, um über den Zaun zu klettern, und lief durch den Weg nach Hause.
    »Himmel, ist hier ’ne Hitze!«, sagte sie. »Man bekommt ja gar keine Luft mehr!«
    Portia stand am Herd und wärmte ihr Essen auf. Ralph trommelte mit dem Löffel auf sein Kinderstühlchen. Georges schmutziges Händchen tunkte ein Stück Brot in die Grütze; seine schmalen Augen blickten abwesend drein. Sie nahm sich Polenta mit Soße, Grütze und ein paar Rosinen und mengte auf dem Teller alles durcheinander. Drei volle Teller aß sie. Sie aß und aß, bis keine Grütze mehr da war, und wurde doch nicht satt.
    Den ganzen Tag lang hatte sie an Mister Singer gedacht, und sobald sie fertig gegessen hatte, ging sie zu ihm hinauf. Aber als sie ins zweite Stockwerk kam, sah sie, dass seine Tür offen stand; im Zimmer war es dunkel. Sie fühlte sich innerlich ganz leer.
    Als sie wieder unten war, konnte sie nicht stillsitzen und sich auf die Englischarbeit vorbereiten. Ihr war, als hätte sie zu viel Kraft, um im Zimmer auf einem Stuhl zu sitzen wie die anderen Leute. Ihr war, als müsse sie die Mauern des Hauses niederreißen und als ein mächtiger Riese durch die Straßen schreiten.
    Schließlich holte sie ihre Schachtel unter dem Bett hervor. Sie legte sich auf den Bauch und blätterte in ihrem Notenheft. Es waren jetzt etwa zwanzig Melodien, aber sie war nicht damit zufrieden. Wenn sie doch eine Sinfonie schreiben könnte! Für ein ganzes Orchester – wie man das wohl machte? Manchmal spielten die Instrumente alle ein und denselben Ton – die Notenlinien mussten also sehr weite Zwischenräume haben. Auf einem großen Blatt Schreibpapier zog sie fünf Linien mit etwa zweieinhalb Zentimeter Abstand dazwischen. Wenn eine Note von der Violine, vom Cello oder von der Flöte gespielt werden sollte, wollte sie der Deutlichkeit halber immer den Namen des Instruments danebenschreiben. Und wenn alle zusammen denselben Ton spielten, würde sie einen Kreis darum machen. Oben auf die Seite schrieb sie in Großbuchstaben SINFONIE und darunter MICK KELLY . Weiter kam sie nicht.
    Wenn sie bloß Musikstunden nehmen könnte!
    Wenn sie bloß ein richtiges Klavier hätte!
    Es dauerte lange, bis sie den Anfang fand. Sie hatte die Melodien im Kopf, brachte es aber nicht fertig, sie aufzuschreiben. Das war wohl das Allerschwerste auf der Welt. Sie probierte so lange daran herum, bis Etta und Hazel kamen, zu Bett gingen und sagten, es sei elf Uhr und sie solle das Licht ausmachen.

10
     
    Seit sechs Wochen wartete Portia auf Nachricht von William.
    Abend für Abend kam sie mit der gleichen Frage zu Doktor Copeland: »Hast du noch niemand gesehn, der einen Brief von Willie hat?« Und Abend für Abend musste er ihr sagen, er habe nichts gehört.
    Schließlich fragte sie nicht mehr. Sie kam ins Haus und sah ihn nur schweigend an. Sie trank. Oft kam sie mit halb aufgeknöpfter Bluse und lose baumelnden Schnürsenkeln.
    Der Februar kam. Es wurde milder, und dann wurde es richtig heiß. Die Sonne brannte unbarmherzig herab. In den kahlen Bäumen sangen die Vögel, und die Kinder spielten barfuß, mit nacktem Oberkörper auf der Straße. Sogar nachts herrschte eine Hitze wie im Hochsommer. Einige Tage später aber setzte der Winter wieder ein. Der freundliche Himmel über der Stadt bewölkte sich, eisiger Regen fiel, und die Luft wurde klamm und bitter kalt. Die Neger in der Stadt litten schlimme Not: Das Heizmaterial war aufgebraucht; überall musste man mühsam um ein wenig Wärme kämpfen. In den engen, nassen Straßen breitete sich die Lungenentzündung aus, und Doktor Copeland konnte eine Woche lang nur stundenweise in Kleidern schlafen. Noch immer war kein Wort von William gekommen, obwohl Portia viermal geschrieben hatte und Doktor Copeland zweimal.
    Er kam tagsüber und nachts kaum zum Nachdenken. Nur dann und wann fand er zu Hause ein paar ruhige Minuten. Dann saß er sorgenvoll am Küchenherd, trank einen Becher Kaffee. Fünf seiner Patienten waren gestorben, darunter auch Augustus Benedict Mady Lewis, der kleine Taubstumme. Man hatte Doktor Copeland gebeten, bei der Trauerfeier zu sprechen, er aber hatte abgelehnt, weil er grundsätzlich nicht zu Beerdigungen ging. Die fünf Patienten waren nicht infolge irgendeiner Unachtsamkeit auf seiner Seite gestorben. Die langen Jahre der Not waren schuld daran: die magere Kost, die nur aus Maisbrot, Schweinebauch und Sirup bestand, und das

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