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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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auf ihn gefallen war. Das Lachen der Männer, das Bild in dem Buch, das wiederentdeckte Entsetzen. Lauras Vater saß still und hörte zu, und nur einmal erhob er sich, um zwei Kerzen anzuzünden und ein Glas vor Giovanni zu stellen, in das er ihm großzügig einschenkte. Giovanni weinte jetzt nicht mehr, auch nicht, als er das Bild mit den Frauen beschrieb. An der Erleichterung, die er spüren konnte wie Luft, die aus ihm wich, erkannte er, daß dies eine
    Art Geständnis war, und er sagte: »Ich sehe aus wie mein Vater. Aus dem Gesicht geschnitten.«
    »War er in der SS?« fragte Herr Ohlenburg.
    »Nein, ich glaub nicht. Er ist weich.«
    »Das ist kein Beweis. Aber darum geht’s ja nicht. Warum sprichst du nicht mit ihm?«
    »Unmöglich.« Giovanni erschrak bei dem Gedanken. Seit einiger Zeit schon war die Verbindung abgebrochen. Der Vater war schwarzweiß. Kam zufällig eine freundliche Stimmung zwischen ihnen auf, dann verdrückten sich beide verlegen in die eigene Ecke des unsichtbaren Boxrings. »Nein, das ist ganz unmöglich.«
    »Deswegen?« fragte Lauras Vater. »Wegen dieser Bilder?«
    »Nein, schon lang«, sagte Giovanni, »Sie hätt ich gern als Vater.«
    Herr Ohlenburg legte die Hand auf seinen Arm und lachte: »Das wäre, bei alldem, was du dir von Laura erhoffst, eine blutschänderische Idee, meinst du nicht?«
    »Papa«, sagte Laura jetzt in dem vorwurfsvollen Ton wie damals nach dem Unfall.
    Giovanni mußte rot geworden sein. Er fühlte die Hitze in seinem Gesicht und hielt den Blick auf die Tischplatte gesenkt.
    »Entschuldige, Giovanni.« Lauras Vater schob ihm das Päckchen Gitanes unter die Nase. »Ich wollte nicht indiskret sein. Denk nicht, daß Laura bei mir petzt.«
    Und wieder lachte er: »Aber ich liege doch richtig, oder? Was ihr beiden tut, ist seit ein paar Millionen Jahren nicht mehr sehr originell.«
    »Papa, hör auf.« Lauras Stimme klang jetzt nicht mehr bittend, sondern fordernd.
    »Entschuldigt, Kinder. Ich bin vielleicht ein Dummkopf. Es tut mir leid. Wie kann ich Giovanni aufmuntern, wenn ich Witze auf seine Kosten mache. Nicht böse sein, Giovanni.«
    Er ging, nachdem er sich Giovannis Telefonnummer hatte geben lassen, zum Haus der Mullers, um Norbert von der sicheren Ankunft seines kleinen Bruders zu unterrichten.
    Giovanni und Laura blieben in derselben Stellung wie vorher, nur hatte sie jetzt ihre Arme um ihn geschlungen und den Kopf an seine Wange gelegt.
    »Du schläfst bei mir«, sagte sie weich in sein Ohr, und es klang so mütterlich, daß er sich fast der erlittenen Not schämte. Aber in diesen Schutz, in diese Wärme und Vertrautheit gehüllt zu werden war nach den beiden Tagen unterwegs wie eine Lust.
    Mit Herrn Ohlenburg kam auch das Kätzchen herein. »Komm«, sagte er und hielt die Tür auf, bis es, neugierig jeden seiner Schritte beschnuppernd, sich mit leisen Tappgeräuschen ins Zimmer vorgewagt hatte. Laura gab ihm Milch, und es rollte sich, nachdem es den Teller leergeschleckt hatte, auf Giovannis Tasche zusammen und schnurrte.
    »Die Katze ist mein Freund«, sagte er. »Die hat mich vorhin getröstet, als ihr nicht da wart. Sie hat gesagt, die kommt schon, deine Laura, die kommt schon.«
    »Die Katze ist ein Katz«, sagte Laura, »wir haben ihn Freddie getauft.«
    »Geht schlafen, Kinder.« Herr Ohlenburg nahm ein Buch von der Fensterbank. Er sah nicht in ihre Richtung, als sie aufstanden, und er hob auch den Kopf nicht, als Laura sagte: »Giovanni schläft bei mir, Papa.«
    Er sagte »Soso« und schien schon ganz in die eben aufgeschlagene Seite vertieft.
    Giovanni ging zu Freddie und küßte ihn auf sein struppiges warmes Fell. Dann folgte er Laura, die, die Tür in der Hand, auf ihn wartete. - »Vielen Dank für alles«, sagte er noch durch den schmaler werdenden Türspalt.
    Lauras Zimmer am Ende des Flurs war mit dem Bett, das darin stand, fast völlig ausgefüllt. Giovanni zog sich bis auf die Unterwäsche aus, während Laura mit ihrem Nachthemd ins Bad ging. Als sie von dort, jetzt mit ihren Kleidern auf dem Arm, zurückkam, lag er schon kerzengerade. Sie zog die dünne Decke hoch, schlüpfte zu ihm und gab ihm einen schnellen, begütigenden Kuß auf den Mund. Dann drehte sie sich um und sagte: »Schlummern!«
    Er spürte ihren Po und versuchte mit seiner Erektion auszuweichen, legte nur sanft seine Hand auf ihren Oberarm. Daß er so nah bei ihr, nur durch ein Nachthemd von ihrer Haut und all den Geheimnissen getrennt, würde einschlafen können, schien

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