Das Herz ist eine miese Gegend
dösten in der Sonne, und nachts gingen sie von Feuer zu Feuer, sangen, tranken, rauchten, und Ilse und Bo wurden immer erst eine Stunde später müde als Laura und Giovanni.
Einmal nahm Laura unter Ilses Anleitung tiefe Züge von seinem Joint. Ihr wurde schlecht, und Giovanni mußte sie zum Zelt tragen. Sie war kreideweiß, weinte und bat ihn, sie nie wieder mitrauchen zu lassen. - »Es fühlt sich an, so wie es heißt«, sagte sie. »Scheiße.«
Bo, Ilse und Giovanni verwöhnten Laura so, daß sie sich fühlen mußte wie eine Prinzessin mit drei Rittern. Ilse, wenn er mal nicht bedröhnt war, schwamm mit ihr um die Klippen - sie schwammen beide wie Fische -, und Bo las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Giovanni sowieso. Jedes Mädchen ließen die beiden stehen, wenn Laura einen Vorschlag machte, der nicht für sechs Personen taugte.
Viele badeten nackt, und Laura sehnte sich nach ihrem einteiligen Badeanzug, denn die Blicke der Nackten waren verächtlich auf alle gerichtet, die nicht wenigstens ihre Brüste zeigten.
»Die gehören mir«, sagte sie, »die laß ich mir nicht flachglotzen.«
»Und mir«, fügte Giovanni hinzu.
»Und dir.«
Und auf einmal wollte sie zurück nach Aix. Beim Frühstück flüsterte sie in Giovannis Ohr, sie werde ihren Vater anrufen.
»Aber wieso?«
»Kannst ja bleiben, ich gehe.«
Trotz des Flüsterns klang sie wütend, und Giovanni folgte ihr, als sie aufstand, um zum Telefon zu gehen.
»Ich will nicht bleiben«, sagte er, als er sie fast eingeholt hatte.
»Um so besser.« Sie drehte sich nicht um.
Sie packten ihre Sachen und gingen zum Hafen. Weder Bo noch Ilse waren beim Zelt gewesen, als sie vom Telefon zurückkamen. Also legten sie einen Zettel auf den Boden und verschwanden. - »Was, glaubst du, würde Bo für dich tun?« fragte Laura auf dem Weg.
»Alles, glaub ich«, sagte Giovanni, »er ist mein bester Freund.«
»Eines jedenfalls nicht«, Lauras Tonfall war sarkastisch. »Nämlich die Finger von mir lassen.«
Giovanni erstarrte. »Er hat... ?«
»Er hat«, sagte Laura und zog ihn weiter, »zumindest wollen.«
So ein Arschloch, ging es Giovanni durch den Kopf, so ein gemeines, hinterhältiges Arschloch. Er hatte nie mit ihm darüber geredet, hatte angenommen, Bo wisse, daß Laura nicht zu seinem jagdbaren Wild gehörte.
»So ein Arschloch«, sagte er.
»Ich hab gedacht, das bist du, und erst als ich wach genug war, fiel mir auf, daß deine Hand von der anderen Seite kommen müßte. Er hat so getan, als schliefe er. Ich hab ihn so angezischt, daß er’s gelassen hat, aber ich wäre am liebsten nicht mehr eingeschlafen danach.«
Das hat etwas von einem saublöden Western, dachte Giovanni, aber es tat ihm weh, und er wußte nicht, wohin mit diesem nagenden Gefühl.
Nach den Ferien ließ Bo sich wochenlang nicht blicken. Dann kam er mit einem riesigen Blumenstrauß zu Laura und sagte: »Es tut mir leid.«
Giovanni, der einige Stunden später mit ihm sprach und Bos Entschuldigung annahm, hatte das beklemmende Gefühl, Laura zu verschachern. Dieses »Gespräch unter Männern« kam ihm so falsch und gemein vor - was hatten denn er und Bo um Laura zu würfeln? -, daß er irgendwann sagte, das alles gehe ihn nichts an, sei Lauras und Bos Sache. Ihm tue es nur weh.
»Mich hat der Teufel geritten«, sagte Bo.
»Der geht mich auch nichts an«, sagte Giovanni, »falsche Staatsbürgerschaft.«
DREIZEHN
Die Italiener waren keine Gastarbeiter mehr, sondern Pizzeriabesitzer. Man bekam einen kostenlosen Sambuca, wenn man die Pizzeria betrat. Die Gastarbeiter waren jetzt Jugoslawen. Unter den Rockstars hatte sich »Zuviel von allem« als beliebteste Todesursache durchgesetzt. Es rangierte um Längen vor »Flugzeugabsturz« und »Autounfall«.
Eine lokale Literaturzeitschrift druckte eines von Giovannis Gedichten. Aber es war nicht wie in den amerikanischen Romanen, wo so etwas den Beginn einer großen Schriftstellerkarriere markiert. Es interessierte einfach niemanden. Das Gedicht handelte von einem, der einen Fremden sterben sieht und erst, als er tot ist, merkt, daß er selber dieser Mann war. Als Giovanni es gedruckt sah, gefiel es ihm schon nicht mehr halb so gut. Das Beste daran war, daß »Giovanni Burgat« darunterstand. Trotzdem zeigte er es Paul und natürlich Laura. Sonst niemandem.
»Wenn du reimst«, sagte Paul, »dann solltest du sauber reimen. Ich auf nicht, das ist nix. Laß lieber die Reime weg, wenn du keine schönen findest.«
Giovanni wollte
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