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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Gras juckte in seinem Rücken. Sie ist mir fremd, dachte er, ganz fremd, während sie etwas zu fest an ihm zog und rieb. Aber das Gefühl, von diesem ganz fremden Mädchen mit seinem ganz fremden Geruch, seinen ganz fremden Bewegungen, geküßt, gestreichelt, erforscht und schließlich in sich aufgenommen zu werden, war so überraschend schön, daß er fast im Zweifel war, ob er sich dies alles nicht nur ausdachte. Schnell, viel schneller, als ihm so etwas möglich erschien, hüpfte sie bald auf und ab. Sie reitet mich, dachte er und versuchte, an ihre Brüste zu fassen. Im einen Moment schien ihm ihrer beider Zentrum, er in ihrem Schoß, der Mittelpunkt der Szene zu sein, und im nächsten Augenblick hörte er Margaux spitze Schreie, Kiekser und schnaubende Geräusche ausstoßen. Es war wie ein Hall und ein weiter Blick von oben. Als flöge er über das Geschehen hinweg, mit den beiden Paaren am Ufer durch Nervenstränge verbunden, schien ihm die jetzt sich anbahnende Lust die Lust aller vier zu sein, die er alleine spürte.
    Und auf einmal warf sich Gundi herum, wobei sie ihn so fest hielt, daß er, als er plötzlich oben lag, noch immer in ihr steckte. Er war überrascht und enttäuscht, ihre tanzende Silhouette nicht mehr über sich zu haben, und brauchte einige Zeit, seine Lust wiederzufinden.
    Jetzt hatte sie ihn am Hintern gefaßt und hieb ihn in sich hinein. Es schien bei ihr zu kommen, das merkte er daran, daß er selber alle Lust einbüßte, Angst vor Seitenstechen bekam und sich ganz in den Dienst ihres Rhythmus zu stellen bemühte. Tatsächlich warf sie nun den Kopf hin und her, fuhr mit ihren Fingern kreuz und quer über seinen Rücken und schüttelte ihren Unterleib, als leere sie ihn aus.
    Giovanni, der eben noch ein fast unbeteiligter Beobachter seines eigenen Anteils am Geschehen gewesen war, wurde von diesem Triumph mitgerissen und fühlte sich übergehen in die Reste ihres ausklingenden Refrains.
    Daß dies, der Zenit an der Wölbung jeder Lust, ein einziger Refrain, der Refrain eines einzigen Liedes sei, eines Liedes, das die ganze Welt nie zu singen aufhört, das glaubte er in diesem Augenblick zu spüren. Als Teil einer einzigen, dauernd vollzogenen Handlung aller fühlte er sich, war verbunden nicht nur mit Bo und Margaux, nicht nur mit Büchern und Filmen, sondern mit allem, was lebte, mit jedem Beteiligten des großen Hin und Her.
    »Der Gong, der die ganze Welt zum Mittagessen ruft« - diese Zeile fiel ihm ein, und er nahm sich vor, sie nicht zu vergessen. Er schrieb sie an irgendeine Wand seines Gehirns.
    Von nebenan, wo seit einiger Zeit Stille geherrscht hatte, schlurften jetzt Schritte durchs Gras.
    »Tiens«, sagte Margaux und steckte zuerst ihm, dann Gundi eine schon angezündete Zigarette in den Mund. Nackt wie sie war setzte sie sich im Schneidersitz ins Gras und kümmerte sich nicht darum, daß Giovanni, trotz der
    Dunkelheit, mitten in sie hineinsehen konnte. Da war nur ein heller Fleck im Schatten ihres Schoßes, und noch war Giovanni zu keiner erneuten Begehrlichkeit fähig, aber er legte sich doch so mit dem Kopf auf Gundis Schenkel, daß dieser Fleck aus seinem Blickfeld rückte.
    Das ganze Erlebnis, zwei Frauen, freche fremde Frauen, die einfach ihr Vergnügen miteinander und mit Bo und ihm teilten, die einfach nackt herumsaßen, helle Flecke zeigten und schamlos nach Liebe rochen, das schien ihm so unglaublich, daß er sich vornahm, nichts falsch zu machen. Schon gingen ihm Gedanken durch den Kopf wie: Was sag ich jetzt, wie tu ich so, als wäre das ganz normal, wie gebe ich mir den Anschein, ungerührt und bestenfalls zufrieden zu sein, wie gebe ich mich lässig, was kommt als nächstes?
    »Was ist mit meinem Freund?« fragte er Margaux.
    »Er lebt noch, aber vielleicht weiß er es nicht.«
    »Ich lebe nicht mehr!« rief es von dort, wo Bo lag.
    Gundi stand auf und zog Margaux mit sich hoch. Dann half sie auch Giovanni auf die Beine. Alle drei, einander an den Händen haltend, gingen ins Wasser, wo sie planschten und sich wuschen. Gundi zog den sich sträubenden Bo in den See. Margaux schwamm dicht an Giovanni heran und fragte ihn leise, wie es gewesen sei. Er wußte keine Antwort und fragte statt dessen zurück, warum sie das wissen wolle.
    »Nur so«, sagte sie.
    »Was macht ihr morgen?« fragte Bo und stieg aus dem Wasser, um sich abzutrocknen.
    Gundi, die jetzt auf einmal die Führung zu haben schien, sagte: »Vielleicht dasselbe wie heute, aber mit unseren

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