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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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die Wanne gestiegen. Sein ungeschickter Umgang damit, das Beugen seines Körpers und das viel zu schnelle Eintauchen ins heiße Wasser waren Karen nicht entgangen.
    »Ist schon ganz richtig so«, sagte sie kopfschüttelnd, »du brauchst ihn nicht abzuschrauben.«
    »Wen?«
    »Deinen Ding.«
    »Ich wollte dir nicht so direkt vor den Augen rumfuchteln damit«, sagte er.
    »Du wirst mir vielleicht nachher damit vor dem Mund rumfuchteln.«
    Diese Vorstellung verschlug ihm die Sprache. Die Erektion tat weh vor Begierde, und er beeilte sich, nach dem Weinglas zu greifen und gleich danach zwei Zigaretten anzuzünden, von denen er eine in Karens Mund steckte. Sie küßte seine Fingerspitzen und sagte: »Es wird alles immer richtiger.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich freu mich auf dich, so mein ich das.«
    Nichts Unechtes mehr war in ihrer Stimme. Gerade und wach war ihr Blick auf ihn gerichtet, und sie lud ihn ein, auch ihren Körper anzusehen. Nichts erinnerte mehr an die falschen Töne von eben, und nichts mehr war gespielt oder gegen die eigenen Gedanken durchgesetzt.
    Sie war schön. Ihre Haltung, diesen lakonischen Stolz, hatte Giovanni schon immer bewundert. Ihr Gang, die breiten Lippen und das viele Haar, das in leichten dunklen Wellen an ihre Kinnlinie reichte, die präzis gestikulierenden Hände, große Hände, die nicht schöntaten, sondern klärten, waren ihm schon lange Gegenstand heimlicher Betrachtungen gewesen. Wenn sie ihre Rede mit Gesten unterstrich, waren das viel eher die Bewegungen eines Lotsen, einfache Signale, als, wie bei andern, Kommentare, Verzierungen oder gar Illustrationen ihrer Worte. Und wenn sie, was sie oft tat, im Studio schlief, dann fühlte er sich ihr verbunden. Er nahm ihren vertrauensvollen Schlaf in seiner Gegenwart als Zuneigung.
    Er ertappte sich dabei, daß er die Schultern ein wenig zurücknahm, und ließ sie gleich wieder nach vorn fallen. Ich habe ihrer Schönheit nichts entgegenzusetzen, dachte er, ich bin ein schmalschultriges, dünnbrüstiges Durchschnittsmännchen. Wo liegt für sie der Unterschied zwischen mir und Dutzenden?
    »Es ist komisch«, sagte sie jetzt, »das erste, was mir an Stefan gefiel, war eine Zeile. Eine Zeile von dir. Weißt du, welche?«
    »Hm-mh.« Er schüttelte den Kopf.
    »Wir werden immer weniger, bald sind wir nicht mehr da, und nicht viel später hat es uns noch nie gegeben - die hat mich wirklich berührt. Ich hab gemeint, daß ich das selber spüre. Daß ich verschwinde aus der Welt. Nicht mal der Zeitfehler hat mich gestört - daß es heißt >hat es uns noch nie gegeben anstatt >wird es uns noch nie gegeben haben<. Ich fand den Fehler toll. Die Zukunft als Gegenwart zu bezeichnen. Das hat es für mich noch hoffnungsloser gemacht.«
    »Findest du uns nicht ein bißchen sehr kultiviert?« fragte Giovanni. »Wir sitzen nackt in der Badewanne, ich weiß nicht ein noch aus vor lauter Wie-schön-du- bist und Wie-nahe-du-bist und Wie-nackt-du-bist und Vor-dem-Mund-rumfuchteln, und du wirst akademisch und kriegst es mit der Consecutio temporum.«
    Sie lachte, und mit einem Mal begann er zu fürchten, dieses Lachen, vielleicht ihr ganzes Gespräch könne nach nebenan gedrungen sein. Wenn Stefan jetzt alles gehört hatte?
    »Vielleicht sind wir viel zu laut«, sagte er und deutete auf die Wand.
    Seltsam, nicht einmal seiner Erektion konnte der Gedanke an Stefan etwas anhaben. Es war nicht so, daß er ihn verletzen wollte, aber um jeden Preis vermieden mußte es auch nicht sein. Das hier war Karens und Stefans Preis. War doch klar, daß sie sich für das Theater nebenan entschädigte und aus dieser Nähe zu Giovanni etwas machte, in die Stefan sie geschubst hatte. Schließlich mußte ihr weh tun, daß er mit oder bei seiner Frau schlief. So weh wie Maja, geschähe es andersherum.
    Sie lagen da mit überkreuzten Beinen, und nichts, kein Gedanke und kein Schuldgefühl, konnte Giovannis Erregung mindern.
    »Überhaupt«, sagte Karen jetzt, »kultiviert ist doch schön.«
    »Ja«, sagte Giovanni und meinte das Warten. Hier zu liegen und zu warten auf die schöne klare Frau, sich einfach Zeit zu lassen und einander anzukündigen, die Vorfreude zu genießen und sich dieser Anspannung bewußt zu sein, das war schön.
    Mit Ausnahme der Augen war alles groß und rund an Karen. Groß und klar und rund. Als sie aufstand und sich wusch, kam es Giovanni zu Bewußtsein, daß er sich schon vor geraumer Zeit in sie verliebt haben mußte. Er hatte sich das nur nie

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