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Das Herz ist eine miese Gegend

Das Herz ist eine miese Gegend

Titel: Das Herz ist eine miese Gegend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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eingestanden, es nicht bis zu sich vorgelassen. So wie dieser Augenblick ihn traf, mußte er sich seit langem danach gesehnt haben. Er wusch sich und hoffte, der Bademantel, den er anzog, möge ihrer sein und nicht Stefans.
    Sie hatte, als er ins Zimmer kam, das Fenster wieder geöffnet und stand, beide Hände in den Haaren, da und sah hinaus. - »Kamen, die Perle des Ruhrgebiets«, sagte Giovanni und trat hinter sie.
    »Ach, schön genug«, sagte sie, drehte sich um und küßte ihn weich und vorsichtig, so als suche sie noch nach der richtigen Stelle in seinem Mund. Sie faßte in seinen Bademantel und streichelte seine Brust. Sie küßte seine Halsbeuge, und das Licht der imitierten Gaslaternen spielte in ihrem Haar. Ihre Hand suchte seine Achsel, seine Taille und seinen Bauch, öffnete den Mantel und legte sich um ihn.
    Seine eigenen Bewegungen über ihren Hals und Rücken stockten, und es war, als wiche alles Fingerspitzengefühl aus seinen Händen, verlöre sich nach irgendwo, und übrig bliebe nur ihre Handinnenfläche, die einen kühlen Ring um ihn schloß. Als wäre alles gerannt und jetzt endlich zum Stehen gekommen, erschöpft, aber froh, am Ziel zu sein.
    »Komm«, sagte sie jetzt leise und als wäre es verboten, »jetzt reicht’s mit kultiviert.«
    Sie ließ ihn los und zog den Bademantel von seinen Schultern. Dann nahm sie ihren ab und ließ ihn fallen. Sie ging an ihm vorbei zum Bett, setzte sich darauf und zog ihn zu sich her. »Komm jetzt, es kann nur noch schöner werden.«
    Ihre Körper suchten Nähe, und auf aller Fläche, die zu finden war, wollte Haut so viel wie möglich Haut berühren. Und sie stießen sich gleichzeitig voneinander zu immer anderen Ausgangspositionen einer erneuten Suche. Beide waren Sonnen und beide auch Trabant. Viel zu schnell verlor sich Giovanni, nachdem ihn Karen in sich genommen hatte.
    Ist das meins oder ihrs, dachte er, als er nach einer Pause, die für Enttäuschung nicht lange genug war, mit der Zunge in sie drang. Es war egal, denn es war gut. Ihre Hände in seinem Haar umkreiste und überflog er das Zentrum ihrer wachsenden Bewegung. Ich bin dein Diener, dachte er, bin schon dein Diener, vergiß mich nicht, bemerk mich nicht, vergiß mich, spür mich, und es dauerte nicht lange, da schrie sie, leise, wie ihm schien, warf sich nach vorn und warf ihn von sich, und er fand sich schon wieder erregt von ihrer Lust, weit von ihr am Bettrand und spürte ihre Hand, die seine umfaßte, und spürte, wie langsam die Ebbe eintrat.
    »Ich will jetzt eine rauchen«, sagte er nach einer Weile, sah auf die Uhr und staunte, daß es schon halb fünf war. Tatsächlich war es mittlerweile hell geworden und das Grau der Zimmereinrichtung wieder braun und grün.
    Der Rest des Weins, den er sich einschenkte, schmeckte nicht mehr, und das Tageslicht tat ein übriges, auch seine
    Begierde schwinden zu lassen. Schon wirkte alles wieder klein. Na klar, dachte er, mit mir wischt sie Stefan eins aus. Und basta. Mehr ist da nicht. Wozu auch? Will ich denn mehr? Ich glaube nicht. Zur Sicherheit lieber nicht. Merkwürdig ist nur, daß ich so überrascht bin. Es war anders, es ist anders, irgendwas klopft an mein Gehirn und will rein.
    Sie schliefen ein, die Hände des andern als einzige Verbindung umfaßt und so weit voneinander, daß eine dritte Person bequem zwischen sie gepaßt hätte. Zum Beispiel Stefan. Oder Laura.
    Und im Dämmern wurde ihm klar, daß Karen Laura war. Nichts an ihr war ähnlich, nichts Äußeres jedenfalls. Groß, dunkel, jünger, keine Schauspielerin, Cutterin, Regieassistentin oder was auch immer Laura geworden sein mochte, sondern eine Buchhändlerin im dritten Lehrjahr. Keine selbstsichere Professorentochter mit kosmopolitischen Gewohnheiten, sondern ein Itzehoer Pastorenkind, in dem eine schwerblütige Melancholie war und ein ruhiger Selbstbehauptungswille, der Lauras mutiger Wendigkeit in keiner Weise glich.
    Er wußte nicht, ob er schon wieder träumte oder noch nachdachte, als Lauras Gesicht vor ihm auftauchte, ihre Schultern, ihre Arme, in denen sie den schnurrenden Freddie hielt, dessen Schwanzspitze sich zu Häkchen bog. Sie löste einen Arm und führ sich mit dieser vertrauten Gebärde von vorn durch die Haare. Sie fragte: »Hast du mich erkannt?«
    Es mußte ein Traum sein, denn er sagte »Ja, jetzt« und wußte, was es gewesen war. Es war die Sprache. Die Sätze, die Karen gesagt hatte, in der Badewanne und nachher, hätten allesamt von Laura kommen

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