Das Herz kennt die Wahrheit
und brachte einen Teller Scones. Darcy ging der Frau sogleich zur Hand, füllte das Wasser in die Teekanne, als der Kessel brodelte, und holte einen kleinen Topf mit eingemachtem Fruchtkompott von einem kleinen Tischchen.
"Whit!" rief Darcy. "Mrs. MacInnis hat Scones."
Sie wandte sich an die Gastgeberin. "Der Junge hat eine Schwäche für alles Süße."
Umso mehr überraschte Whit die anderen, als er antwortete: "Ich bleibe lieber hier und spiele mit den Welpen."
Darcy schaute kurz zu Gryf hinüber und sah, dass er lächelte.
Während Margaret MacInnis reihum den Tee eingoss, meinte sie: "Ihr seid ein wenig zu jung für einen Sohn seines Alters."
Bevor Darcy sie verbessern konnte, fuhr die alte Frau fort: "Aber das war ich auch. Mit dreizehn Jahren wurde ich verheiratet. Ich hatte fünf große stramme Jungen. Nun sind sie alle fort. Und ihr Vater auch." Ihr Blick fiel auf Gryf. "Ihr ähnelt ihm ein bisschen. Groß, gut aussehend. Seid Ihr ein Seemann?"
"Aye."
Die Frau sah Darcy an. "Dann tut Ihr mir Leid, Mädchen. Ihr werdet zweifelsohne schon bald verwitwet sein. Das ist das Schicksal aller Frauen, die ihr Herz an Seefahrer verlieren. Aber zumindest habt Ihr den Jungen."
Darcy warf Gryf einen Blick zu und merkte, dass er unauffällig den Kopf schüttelte. Vermutlich wollte er sie davon abhalten, der alten Frau zu widersprechen. Darcy dachte einen Moment nach, stimmte dann mit einem Seufzer zu und trank ihren Tee.
"Ihr segelt alle gemeinsam?"
"Ja. An Bord der 'Undaunted'."
"Wo ist ihr Heimathafen?"
Darcy bestrich einen Scone mit Früchtekompott. "Cornwall."
"Ah. Zumindest seid Ihr keine Engländer." Die Augen der alten Frau begannen zu funkeln. "Anfänglich dachte ich schon, Ihr seied welche, wegen des Akzents."
"Aber wir sind Engländer, Mrs. MacInnis."
Die alte Frau schüttelte den Kopf. "Nein. Mein Mann sagte immer, die Leute aus Cornwall seien genauso auf Unabhängigkeit bedacht wie die Schotten. Und weit genug von London entfernt, so dass sie nicht unter Englands Fuchtel stehen. Wir sind aus einem Holz, wir Schotten und die Leute aus Cornwall. Es wird keinen König geben, der uns vorschreibt, wie wir unser Leben zu leben haben. Lieber sterben wir, als uns dem Willen eines anderen zu beugen."
Jetzt schaute die alte Frau zu Whit hinüber, der nach wie vor ausgelassen mit den Welpen herumtollte. Die große Hündin lag vor dem Feuer und hatte zufrieden die Augen geschlossen. "Seid Ihr gekommen, um Freunde hier im Dorf zu besuchen?"
Gryf schüttelte den Kopf. "Unser Schiff liegt im Hafen vor Anker, und wir wollten uns nur ein wenig in diesem schönen Dorf umschauen."
"Dann müsst Ihr zum Abendessen bleiben. Das ist das Mindeste, was ich für Euch tun kann, um mich bei Euch zu bedanken."
"Das ist zu viel Aufwand", widersprach Darcy.
Die alte Frau sah sie einen Augenblick an. "Könnt Ihr Euch vorstellen, wie lange ich schon keinen Besuch mehr gehabt habe?"
Sogleich bereute Darcy ihre Worte. Sie sah, dass Gryf zustimmend nickte, und schenkte der Frau ein warmes Lächeln. "Wir fühlen uns geehrt, zum Abendessen bleiben zu dürfen, Mrs. MacInnis. Aber ich hoffe doch, dass Ihr mich helfen lasst."
"Ja." Die Alte deutete auf einen geschwärzten Topf, der über dem Feuer hing. "Es gibt Hammelbraten. Ich kümmere mich darum, während Ihr den Laib Brot aufschneiden könnt. Gebt Acht, denn er ist noch warm vom Ofen."
Darcy nahm das Tuch vom Brot und atmete den wundervollen Duft ein. Für einen Augenblick verspürte sie ein fürchterliches Heimweh, so dass sie beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. Dieses Gefühl überkam sie völlig unerwartet. Vor ihrem geistigen Auge sah sie ihre geliebte Familie am Tisch sitzen. Großvater, Ambrosia, Bethany, Winnie und Mistress Coffey. Oh, wie sehr sie diese lieben Menschen plötzlich vermisste. Als sie sich ihre Gesichter vorstellte, spürte sie die enge Verbundenheit zu ihrer Familie.
Dann zwang sie sich zur Arbeit, schnitt das Brot, legte die Scheiben auf einen Teller und trug ihn zum Tisch. Ihr fiel auf, dass Gryf entspannter aussah als an all den Tagen, seit sie ihn kennen gelernt hatte. Genussvoll trank er von dem heißen Tee und plauderte mit Margaret MacInnis, als hätten sie sich schon ein Leben lang gekannt.
Alle Seeleute besaßen die Fähigkeit, sich überall in der Welt wie zu Hause zu fühlen. Sie trafen fremde Menschen, die im Laufe einer Stunde oder eines Tages Freunde fürs Leben werden konnten. Gray hatte diese Gabe besessen. Darcy schloss die
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