Das Herz meines Feindes
abrupt. Sie holte tief Luft. »Ich kam hinein, um Euer Bad vorzubere i ten, und…«
»Sie hat weder Waschzuber noch Wasser bei sich«, höhnte der Mann, der Dünn genannt wurde.
»Sie werden gleich kommen«, erwiderte Lilliane scharf, und ihr Zorn kehrte zurück.
»Das ist unerheblich«, schnitt Sir Corbett ihr das Wort ab. »Tatsache ist, dass du offensichtlich eine Diebin, oder, schlimmer noch, eine Spionin bist. Keines von beidem will ich in meinem Haushalt haben.«
»In Eurem Haushalt!« sprudelte Lilliane hervor. »In Eu rem Hau s halt! Ihr habt keine Rechte auf Orrick…«
»Halt den Mund!«
Sir Corbetts donnernder Befehl brachte sie auge n blicklich zum Schweigen, und während dieser bebenden Stille ertönte ein schüc h ternes Klopfen.
Sir Corbetts Gefolgsmann öffnete die Tür mit einem Ruck, und die Gruppe der Diener, die in der Vorhalle standen, schienen wie ein Mann zu erzittern, als sie die beiden Krieger erblickten. Das bleiche Gesicht ihrer Herrin trug auch nicht dazu bei, ihre En t schlossenheit zu steigern, und nur die drohende Geste, mit der Dünn sie einzutreten hieß, verhin derte, dass sie die Flucht ergriffen.
Die Stille im Zimmer war furchtbar. Dünn ließ die Prozession der Dienstboten, die Waschzuber, Wasser, Seife und Ba deleinen hinei n trugen, nicht aus den Augen. Im Gegensatz dazu hielt Sir Corbett den Blick auf Lilliane gerichtet. Ange sichts seines unerschü t terlichen Blickes hatte sie Mühe, ihre Selbstbeher r schung zurückzuerlangen. Orrick war ihre Heimat, sagte sie sich. Sie verstand, dass es notwendig war, einen starken und gerechten Herrn zu finden, der für die Ver waltung des Schlosses und das Wohlbefinden der von ihm abhängigen Menschen sorgte. Weder Aldis noch Santon wurden dieser Aufgabe gerecht, diesbezüglich würde sie mit ihrem Vater nicht streiten. Aber genauso wenig würde es die ser harte und misstrauische Ritter, schwor sie. Sie konnte sich nicht zurückhalten und hob ihre niedergeschlagenen Augen zu ihm empor.
Es tat ihr sofort wieder leid. Sir Corbetts G e sichtsaus druck war noch immer genauso gefährlich wie eh und je. Seine hochgewac h sene, muskulöse Gestalt war ebenso be drohlich wie zuvor. Aber seine dunklen Augen hatten ein klares Grau angenommen, und sein interessierter Blick glitt nun prüfend über ihre adrette Gestalt.
Zuvor hatte sie sich vor seinem Zorn gefürchtet, aber plötzlich verspürte sie eine neue Angst. Sie versuchte, die in ihr aufsteigende Panik zu unte r drücken, schlang ihre Arme fest um ihre Taille und fuhr mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. Aber genau in diesem Augenblick hob Sir Corbett die Augen von der Fülle ihrer Brüste zu ihrem Gesicht, und heißes Verlangen trat in seine Augen, als er die schnelle Bewegung ihrer kleinen, rosafarbenen Zunge verfolgte.
Sie wandte sogleich den Blick ab. Aber es war nur noch ei ne Sache von Sekunden, bis die Dienerschaft entlassen wur de und sie wieder allein mit den beiden Rittern war.
»Sorge nun für dein eigenes Quartier«, bat der dunkle Rit ter seinen Mann, obwohl er seinen Blick nicht von Lilliane abwandte. »Und sorge dafür, dass im Lager genügend Wa chen aufgestellt werden.«
»Ich werde in der Halle vor deiner Tür Wachen aufstellen lassen.«
»Das wird nicht nötig sein.«
»Verdammt, Corbett! Ist diese kleine Diebin nicht Beweis genug, dass es nötig ist?« Dünn warf Lilliane einen unheilvollen Blick zu. »Sie stellt vielleicht keine wirkliche Bedrohung dar, aber glaubst du denn, dass Orricks Schwiegersöhne deine Anwesenheit hier auf die leichte Schulter nehmen werden?«
»Keiner von beiden scheint mir ein echter Gegner zu sein. Außerdem könnte unsere neugierige kleine Magd sich durchaus als Segen erweisen.« Sir Corbett lächelte und entblößte weiße, gleichmäßige Zähne. Doch Lilliane verspürte bei diesem Lächeln keine Erleicht e rung; sie war sicher, dass es Unheil bedeutete.
»Wenn du im Sinn hast, das Bett mit ihr zu teilen, so ist das vielleicht genau das, was beabsichtigt ist.«
Corbett lachte laut auf. »Sie würde sich zweifellos hervor ragend unter einem Mann machen. Aber ich habe nicht die Absicht, die Ehe zu vereiteln, bevor sie geschlossen ist. Nein.« Er packte Lillianes Faust mit seiner großen Hand und zog sie näher an sich heran. »Sie soll mir bei meinem Bad helfen und sonst nichts.«
Etwas an seiner Berührung störte Lilliane, obwohl sein Griff ihr nicht wirklich weh tat. Sie zog an seiner Hand und versuchte vergeblich,
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