Das Herz meines Feindes
die Lippen, dann zog sie ihren Schal fester um ihre Schultern. »Ich möchte nicht als die Verlassene dastehen«, antwortete sie grollend.
»Ich verlasse dich nicht!« Er streckte die Hand nach ihr aus, aber sie trat einen Schritt zurück.
»Warum musst du dann gehen?« platzte sie heraus.
»Willst du, dass ich bleibe?«
Lilliane hatte darauf keine Antwort. Aber als sich die Stil le zwischen ihnen auszubreiten schien, verzogen sich seine Lippen zu einem schwachen, wissenden Lächeln.
»Willst du, dass ich bleibe?« fragte er wieder, diesmal sanfter.
Lilliane war unfähig, seinem neugierigen Blick zu begegnen, und wandte ihr Gesicht ab, wobei sie ihr vom Wind zer zaustes Haar von ihrer Wange strich. »Es ist nicht… es ziemt sich nicht für einen Bräutigam, so plötzlich von seinem… aus dem…«
»Aus dem Ehebett zu verschwinden?« fragte Corbett. Diesmal packte er sie mit seinen beiden warmen Händen an ihren Schultern. »Glaub mir, Lily. Wenn es nicht so wichtig wäre, dann würde ich nicht gehen.«
»Was könnte denn so wichtig sein?« rief sie, unfähig, sich zurüc k zuhalten. »Sicher könnte das zumindest noch einen Tag warten!«
Einen Augenblick lang starrte er sie nur an. Dann erhellte ein schwaches Grinsen seine Züge. »Bedeutet das, dass du mich vermissen wirst? Vielleicht wenn ich verspreche, dass meine erste Pflicht nach meiner Rückkehr darin bestehen wird, genau dort wieder zu beginnen, wo wir eben im Bett aufgehört haben, könnte ich dir ein kleines Lächeln abrin gen.«
Aber Lilliane mochte nicht scherzen. Sie hatte das uner klärliche Gefühl, in zwei Stücke gerissen zu werden. Sie ver suchte, sich ihm zu entziehen, aber sein Griff wurde fester.
»Es kann nicht warten«, sagte er noch ernster. »Du musst mir in dieser Sache vertrauen.«
»Einem Colchester vertrauen?« höhnte sie. »Ich wäre eine Törin, wenn ich das täte.«
Er runzelte die Stirn bei ihren Worten, und seine narbige Auge n braue senkte sich bedrohlich herab. »Genau wie ich ein Tor wäre, der Dienstmagd zu vertrauen, die meine Hab seligkeiten durchsucht hat«, erinnerte er sie hart. »Triff eine Entscheidung, Lilliane. Entweder bist du jetzt ganz und gar meine Frau… oder du erklärst mir jetzt den Krieg. Du kannst nicht beides haben.«
Lilliane war hin-und hergerissen. Sie durfte ihm nicht vertrauen. Sie durfte es einfach nicht! Doch sie konnte nicht anders als seine direkte Art zu respe k tieren. Ein Schaudern überkam sie.
»Nun, Lily, was von beidem willst du?« Seine Augen wa ren mis s trauisch und blickten dunkel, fast schwarz auf sie herab. Sie schienen bis auf den tiefsten Grund ihrer Seele hinabzublicken.
»Ich bin deine Frau«, gab sie schließlich zu. Trotz des Zögerns in ihrer Stimme und ihrem immer noch herausfordern den Blick wusste sie, dass sie die Wirklichkeit nicht länger ignorieren konnte. Sie waren verheiratet, und sie würden es für viele Jahre lang bleiben. Es wäre töricht, beständig gegen ihn anzukämpfen.
Da zog er sie näher zu sich heran, und ohne es zu bemer ken, wurde ihr Gesichtsausdruck weicher. »Wann kommst du zurück?«
»So schnell wie möglich«, murmelte er, als seine Augen über ihr Gesicht glitten. »Zu wissen, was hier auf mich war tet, wird mir Flügel verleihen.« Dann beugte er sich zu ihr hinab und nahm ihre Lippen mit einem tiefen, aufwühlen den Kuss. Lilliane war wie umnebelt und unfähig, Wider stand zu leisten. Tatsächlich stellte sie, als der Kuss inniger wurde, fest, dass sie sich willfährig an ihn presste. Als sie sich schließlich voneinander trennten, war sie atemlos und aufge wühlt, und sehr zu ihrer Verwirrung wurde sie von dem Verlangen nach ihm geradezu verschlu n gen. War sie denn wahnsinnig, ihn so sehr zu begehren?
Dann ließ sie es, immer noch wie benebelt, zu, dass er sie zum Pförtnerhaus führte, wo einige Menschen einschließlich ihres Vaters, William und Aldis sich versammelt hatten, um die Abreise des Ritters zu beobachten. Sie sah das Missfallen in Williams und Aldis Mienen und die Freude auf dem Ant litz ihres Vaters. Wenn nur ihre eigenen Empfindungen ih rem Mann gegenüber so einfach sein könnten, dachte sie, als sie beobachtete, wie Corbett zu seinen Männern zurückkehr te, die auf ihn warteten.
Corbett reiste nur mit der Hälfte seiner Ritter und einer Handvoll seiner Gefolgsleute. Als er sein großes Streitross be stiegen hatte, hob er Lilliane grüßend seine Hand entgegen. Dann wurde seine Aufmer k samkeit von Sir Dünn
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