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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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waren so angeordnet, dass die Betenden in Richtung des jeweiligen anderen Doms in der Stadt blickten. Zwei der Schreine waren auf meiner Seite – dunkles Holz für den Krieger, Eisen und Glas für die Trauernde Braut. Auch den versiegelten Schrein des Wächters konnte ich erkennen, verschmiert von Wachstropfen der Trauerkerzen. Ich drehte mich um und spähte mit zusammengekniffenen Augen an der strahlenden Gestalt der Sängerin vorbei.
    Sie schwebte über der Öffnung im Boden in der Luft, umgeben von einem Eisengeländer. Ihre Haut hob sich blass von ihren bauschigen Gewändern ab. Die Kleider waren dunkelrot, glänzend und behielten ihre Form beinah wie ein Chitinpanzer bei. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen und Fingerspitzen blutrot und glatt. Ihre Haut verströmte Licht wie der Fluss im Winter Nebel. Mir war völlig entfallen gewesen, wie wunderschön sie war, versteckt in diesem zugigen Steingebäude. Wie hatten wir sie vergessen, wie hatte sich die Stadt anderen Gottheiten zuwenden können?
    »Leg die Waffe nieder, Sohn.«
    Er stand unmittelbar hinter der Celeste auf der anderen Seite der Plattform. Alexander war mit einem langen, schwarzen Mantel mit rotem Zierwerk formell und sehr fein gekleidet. Eine Hand steckte in der Tasche des Mantels, mit der anderen richtete er einen Revolver auf mich.
    »Ich würde sie lieber behalten«, entgegnete ich.
    Er zuckte mit den Schultern und deutete mit der Pistole nach links. Ich ging um das Geländer herum auf ihn zu, die Flinte zwanglos über den Arm gelegt.
    »Bist du alleine hier?«, fragte ich.
    »Ja. Und du? Warten all deine Freunde draußen?«
    »Ich bin auch alleine.«
    Wir nickten beide nachdenklich. Ich schaute zur Sängerin auf und lehnte mich an das Geländer.
    »Sie ist still«, stellte ich fest.
    »Schon länger«, erwiderte Alexander, wobei er den Blick kaum von mir löste. »Seit mittlerweile drei Jahren. Innerhalb einer Stunde ging sie von voller Lautstärke zu Totenstille über.«
    »Warst du damals hier?«
    Er nickte. »Wir alle waren hier, alle Familien.«
    »Trotzdem kommst du immer noch her?«
    »Einige von uns.« Er wandte den Blick ab und schaute zum Schrein der Hehren, dann wieder zu mir. »Zumindest ich komme immer noch her.«
    »Was für eine Geschichte. Eine tote Göttin, die von den sterbenden Familien Veridons immer noch verehrt wird.« Ich grinste.
    Alexander starrte mich finster an und streckte den Revolver vor.
    »Weg mit der Flinte.«
    »Sie ist nicht geladen«, beteuerte ich.
    »Warum hast du sie dann dabei?«
    »Wohl aus demselben Grund, weshalb du hierherkommst.« Ich lächelte verbittert. Das gefiel ihm zwar nicht, aber er senkte den Revolver.
    »Warum bist du hier?«, wollte er wissen.
    »Ich habe nach dir gesucht. Hatte eine Unterhaltung mit Billy. Er lässt dich schön grüßen. Und davor war ich in der Kirche des Algorithmus.« Ich drehte mich ihm zu. »Hast du immer noch eine Ikone der Sängerin in der Tasche, wenn du dorthin gehst?«
    Er verzog das Gesicht und fuhr mit einer Hand über die Tasche seines formellen Mantels. »Das ist ein Risiko, das ich nicht mehr eingehe. Dafür sind die Zeiten zu schwierig geworden. Heutzutage gibt es zu wenig Vertrauen.«
    »Ja, das kann ich bestätigen. Wann hast du damit aufgehört?«
    »Oh, ich weiß nicht mehr. Kurz nachdem du gegangen bist, vermute ich.«
    »Hattest du eine Ikone dabei, als du mich an die Kirche verkauft hast, Vater?«
    Er erstarrte, stand stocksteif da.
    »Das ist nicht …«
    »Du hast mich verkauft, Vater. Du hast alles verkauft, was mir wichtig war.« Ich trat einen Schritt vor, womit ich die Rückkehr der Pistole bewirkte. »Menschen sind gestorben, Alexander. Freunde von mir. Und wofür? Was hast du von diesen Erschaffern mit ihren schmierigen Fingern bekommen?«
    »Hör mir zu, Jacob. Es tut mir leid, dass du darin verstrickt worden bist, aber …«
    Ich streckte ihm einen Finger entgegen und brüllte: »Du hast mich hinters Licht geführt. Du wusstest, weshalb alle hinter mir her waren. Du wusstest, dass dieses Ding in meiner Brust etwas mit dem Mechagen zu tun hat. Trotzdem hast du mich einfach so aus deinem Haus spazieren lassen. Was zum Henker hast du dir dabei gedacht?«
    Die Furchen in seinem Gesicht wirkten plötzlich sehr tief, seine Haut vermittelte einen gräulichen Anschein. Er sah müde aus.
    »Jacob, ich … Es tut mir leid. Es ist sehr kompliziert.«
    »Welcher Teil, Vater? Was ist so kompliziert? Dass du mich an die Kirche verkauft hast? Dass

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