Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
du mich – mein Leben – benutzt hast, um dich mit den Erschaffern gutzustellen? Ist es das? Dass du mich im Stich gelassen, mich behandelt hast, als wäre alles meine Schuld? Mein Versagen, das zu meinem Rauswurf aus der Akademie geführt hat? Ist es das, was so verdammt kompliziert ist?«
Ich kam ihm zu nah. Der alte Mann trat vor und schwang den Schaft in einem kurzen Bogen aufwärts, sodass er auf meinem Kinn landete. Ich kippte erst auf die Fersen zurück, dann fiel ich weiter, bis mein Kopf auf dem Boden aufschlug. Er ragte über mir auf und hielt die Pistole vor mein Gesicht, während seine Schultern vor Wut bebten.
»Untersteh dich! Untersteh dich, mir selbstgerecht zu kommen, Jacob Burn. Ich hatte nie vor, dich aus der Familie zu verbannen. Das hast du selbst gemacht. Als du nach Hause kamst, hast du innerlich gekocht. Nichts und niemand konnte zu dir durchdringen. Das hat deine Mutter beinah um den Verstand gebracht. Es hat sie aus dem Haus, ja sogar aus der verdammten Stadt vertrieben! Meine Frau hat mich verlassen, weil du sie vertrieben hast, Jacob! Das hätte mich fast umgebracht. Ich weiß, dass du mir die Schuld an allem gibst, und vielleicht ist das dein gutes Recht. Aber niemand hat dich aus meinem Haus geworfen.«
Ich lag da und schaute zu ihm auf. Schließlich beruhigte er sich und ließ mich aufstehen. Er stellte sich ans Geländer und betrachtete friedlich die Sängerin.
»Und weiter?«, fragte ich und wischte mir Blut vom Mund. »Hattest du vor, der Kirche meinen Körper zu verkaufen und mich anschließend im Familiensitz zu umsorgen, bis ich bereit gewesen wäre, ein Ei zu legen?«
Er rührte sich nicht. Wir schwiegen beide eine Weile. Ich wollte die Frage gerade wiederholen, als er schließlich das Wort ergriff.
»Ich war nicht sicher. Es war ein Risiko, und ich bin es eingegangen. Es tut mir leid, dass sich die Dinge so entwickelt haben.«
»Tja, mir auch«, gab ich nach kurzer Stille zurück. Ich hob die Flinte auf und wischte meine Hose ab. Mein Kiefer pochte vor dumpfen Schmerzen, doch nach den Ereignissen des Tages nahm ich es kaum wahr.
»Was ist dieses Ding in meiner Brust?«
»Weißt du, was das Mechagen ist? Wozu es in der Lage ist?«
Ich nickte. »Es ist ein Muster. Es ist das, was den Engel zusammenhält. Deshalb versucht er, es zurückzuerlangen, bevor er die Kontrolle verliert.«
»Oh. Es ist mehr als das.« Er umklammerte das Geländer und stieß ein gedehntes Seufzen aus. »Also, das wird schwer zu glauben sein, aber die Legende über das Mädchen, über Camilla … sie ist wahr.«
»Ja. Wir sind uns begegnet.«
»Ihr seid euch … begegnet? Müde starrte er mich an. »Ja, ich schätze das gehört zu der Sorte unmöglicher Dinge, die einem Mann wie dir widerfahren können. Also weißt du es. Die Luftschiffe, die Mechagenetik … All das sind bloß abgeleitete Erkenntnisse. Technologie, die wir aus ihrem sezierten Herzen gesogen haben.«
»Darüber hat sie übrigens eine ganz eigene Meinung. Du weißt, dass die Karte von ihr kam, oder?«
»Ich hatte es vermutet. Und ich war besorgt darüber, was ihre Beweggründe dafür sein könnten. Aber …« Sein Blick wanderte durch den Raum und über mehrere Schreine. »Aber die Leute im Rat wollten zur Tat schreiten. Es schien eine zu bedeutende Chance zu sein.«
»Natürlich«, sagte ich.
»Nun, das Ding in deinem Herzen ist eine Art Lesegerät, könnte man wohl sagen. Eine Übersetzungsvorrichtung. Es ist sehr gut darin, die heiligen Muster des Algorithmus zu interpretieren und anzuwenden.«
»Du klingst wie ein Erschaffer. Und so etwas hat die Kirche aus ihrer Obhut gelassen?«
»Es erforderte einen lebendigen Körper. Die Erschaffer akzeptierten dafür keinerlei Modifikationen. Sie hätten es in jeden einsetzen können, doch sie brauchten jemanden, dem sie vertrauen konnten.«
»Und dafür haben sie dich ausgewählt?«, fragte ich. »Den letzten Verehrer der Celesten?«
»Vertrauen ist vielleicht nicht das beste Wort. Sie brauchten jemanden, den sie kontrollieren konnten.«
»Aha. Aus Verzweiflung geht Kontrolle hervor. Natürlich.«
Abermals seufzte er. »Natürlich.«
»Irgendwie verantwortungslos, dieses Artefakt in mir zu verstecken und mich dann in die Gosse verschwinden zu lassen.«
»Wir hatten dich immer aufmerksam im Auge.«
»Durch wen? Valentine? Ich kann mir nicht vorstellen, dass er für dich arbeitet.«
Mein Vater schüttelte den Kopf, sah mich immer noch nicht an.
»Durch wen dann?« Ich
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