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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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Anlegestelle führte eine mit Flussstein ausgelegte Allee zur Haupthalle. Der Stein knirschte unter meinen Abendschuhen. Die Rasenflächen präsentierten sich grün und makellos, gesprenkelt mit natürlichen Steingärten und Baumgruppen. Das Haus schien aus dem Rasen gewachsen zu sein wie eine weitere Felsformation, die sich im Lauf der Zeit zusammengefügt hatte. So wie der Weg bestanden auch die Mauern des Anwesens aus Flussstein, glatt und schwarz wie die Nacht. Der Anblick wirkte wie Dunkelheit, die aus der Erde quoll, eine Dunkelheit durchsetzt von Gelächter, Licht und Reichtum.
    Die Gäste trafen seit geraumer Zeit ein. Als ich eintrat, hatte sich im großen Saal bereits eine beachtliche Menge eingefunden, wenngleich die meisten Stimmen vom Balkon dahinter stammten. Ein Mann näherte sich mir, bedachte meine Einladung mit einem flüchtigen Blick und nahm mir anschließend den Mantel und den Reisehut ab. Der verbleibende Umschlag passte bequem in meine Jacke, ebenso die schmucke Holzschatulle, die ich Angela geben sollte. Der Mann sah mir in die Augen, lächelte, nickte in Richtung des Saals und verschwand. Anscheinend war mein bester Anzug gut genug, um dem Anwesen der Tombs meine Aufwartung zu machen. Vielleicht lag es auch an meinen Augen. So oder so, ich war drin.
    Im großen Saal herrschte kein Gedränge, es befanden sich lediglich einige Gruppen von Männern und teilweise Frauen darin, die Getränke hielten und einander zunickten. Es gab eine Bar und einen Kamin, an beiden herrschte reger Betrieb. Im Inneren sahen die Wände anders, aber dennoch wunderschön aus. Sie bestanden aus Stahl, getäfelt mit Butterholz in warmen Farbtönen. Der Glanz wirkte zugleich strahlend und beruhigend. Im Saal roch es nach frischem Brot und Leinen, vermischt mit einem Hauch von Holzrauch, der auf die Landschaft rings um uns hinwies.
    Die Breitseite des Saals setzte sich aus Fenstern und Türen in Gitterwerkbauweise zusammen und führte hinaus auf den gestuften Balkon. Von dort drang eine Menge Licht und Musik herein. Ich nahm mir etwas zu trinken und ging hinaus.
    Der Nachthimmel funkelte wie ein Kristall. Tausende Sterne und der silbrige Mond leuchteten auf die Dunkelheit herab. Die Stadt lag tief unten, genauso schön, wie sie von der Pracht des Tages aus gewesen war, nachdem wir den Wasserfall hinter uns gelassen hatten. Veridon erstreckte sich glitzernd über das abschüssige Delta, durchzogen von der Schwärze der Kanäle und Flüsse. In Straßen und Gebäuden bündelten sich Lichter. Ein warmer Schein ging von den Straßenlaternen und den beleuchteten Kuppeln der heiligen Stätten der Celesten aus. Sie wirkten immer noch prächtig, ganz gleich, wie tot ihre Religion, wie leer ihre Schreine sein mochten. Sogar ihren Nachfolger konnte ich ausmachen, die gewaltige Kirche des Algorithmus, die in der Nähe des Reines kauerte und vor den Flammen der tief in ihr Innerstes reichenden Maschinen Gottes schimmerte. Die gesamte Stadt glich einem ans Ufer gespülten Stein, der aufgebrochen war und einen Kern kostbaren Glanzes offenbarte.
    Draußen auf den Balkonen befanden sich wesentlich mehr Leute. Reibungslampen summten leise auf robusten Tischen, an die man sich lehnen oder auf denen man sein Getränk abstellen konnte, während man sich unter die Gäste mischte. Viele der Gesichter waren jünger, als ich erwartet hatte, und mir unbekannt. Außerdem trugen viele der Anwesenden Uniformen, was Zeugnis vom Anlass der Feierlichkeiten ablegte. Ich schlenderte durch die Menge, nickte und lächelte nach Bedarf. An der Brüstung blieb ich stehen, lehnte mich an den kalten Stein und ließ den Blick über das Grundstück der Tombs wandern. Auf einer Seite unter mir befand sich eine weitere Terrasse, darunter wiederum eine dritte. Ich wusste, dass es noch weitere gab, kleiner und unscheinbarer, doch sie blieben in jener Nacht unbeleuchtet. Auf diesen Terrassen, über die ich mich gefährlich weit gebeugt hatte, wenn ich als Kind zu Besuch hier gewesen war, hatte ich zum ersten Mal vom Fliegen geträumt. Der Traum eines Kindes.
    Gelächter riss mich aus meinen Gedanken. Lady Tomb, die auf der Terrasse unter mir Hof hielt. Der Besatz ihres Kleids war schwarz und grau, die Farben des Korps. Ich begab mich zur Treppe und ging hinunter, um bei ihr vorstellig zu werden.
    Ein dichtes Knäuel von Leuten umringte sie, vorwiegend junge Leute in adretten Anzügen und hübschen Kleidern. Ich vermochte nicht zu sagen, ob es sich um Söhne und

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