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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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etwas zu trinken, ging zu einer kleineren Treppe, die zur dritten, niedrigsten Terrasse führte, und suchte mir einen stillen Winkel. Dort befand sich ein Garten, eine Platte, die aufgeschüttet und landschaftlich gestaltet worden war, ein unnatürlich ebener Grasstreifen mit Bäumen, die über den Rand der Erhebung ragten. Aus Veridon schwebte ein Luftschiff heran, vermutlich das letzte der Nacht. Weit flussaufwärts des Reines türmten sich Gewitterwolken. Tief in deren Innerstem zuckten Blitze, ein Violett, das jäh in Weiß umschlug. Aus dem Tal des Deltas wehte eine Brise herauf, in der Feuchtigkeit sowie der Geruch von Wachstum und heißem Metall mitschwangen. Ein Unwetter braute sich zusammen.
    Ich dachte über den kleinen Zwischenfall nach. Wenn Lady Tomb den Zweck meiner Anwesenheit kannte, wenn sie wusste, dass ich für Valentine hier war, hatte sie vielleicht meine Entschlossenheit auf die Probe stellen wollen. Um die Grenzen von Valentines gebrochenem Monster auszuloten. Andererseits konnte sie sich auch bloß wie ein Miststück verhalten haben. Tja. Vielleicht hätte ich ihren Freund doch vom Balkon werfen sollen.
    Ich trank aus und zog los, um mir Nachschub zu besorgen. Der Himmel veränderte sich. Wolken verhüllten die Sterne, und es wurde dunkel.
    Mit dem Luftschiff, das ziemlich schnell flog, um dem nahenden Sturm zu entgehen, kam das Mädchen. Das Schiff legte am selben Dock an wie wir, dann wurde das Mädchen hastig den gepflasterten Weg heruntergeführt, während das Luftschiff an der Anlegestelle vor sich hin schaukelte. Die junge Frau besaß jene unbestimmte Schönheit, die allen Engramm-Sängerinnen gemein war. Ein schwarzes, zu ihrem schwarzen Kleid passendes Kopftuch verhüllte sie, die blauen Gewänder der Schöpfergilde umgaben sie.
    Als Aufführung des Abends sollte Das Sommermädchen vorgetragen werden, ein altes Lied, ausgesprochen beliebt beim Korps. Die erstmalige Darbietung hatte bei der Taufe des ersten Luftschiffs stattgefunden, das den sperrigen Namen Herrin der Sommerhimmel trug. Die späteren Errungenschaften des Gefährts, die in Korpskreisen nahezu Mythenstatus genossen, hatten dazu beigetragen, den Rang des Lieds als inoffizielle Hymne des Korps zu zementieren. Dass es sich zudem um eines der ältesten verzeichneten Engramm-Lieder handelte, die zu Anbeginn dieser immer noch dubiosen Technologie zum Einsatz kamen, trug nur zu seinem geheimnisvollen Flair bei.
    Vom Balkon aus beobachtete ich, wie das Luftschiff von den Höhen floh. Fast alle anderen Gäste waren bereits ins Haus gegangen. Das bevorstehende Unwetter verlieh der Luft eine schwere Feuchtigkeit und ein elektrisches Knistern. Bevor der Regen einsetzte, begab auch ich mich hinein. Ich besaß nur einen einzigen Anzug und wollte ihn nicht ruinieren. Hinter mir sank das Luftschiff rasch in Richtung des Tals.
    An der Bar hatte sich eine Schar von Korpsmitgliedern eingefunden. Ihre ausgelassenen Unterhaltungen bestanden aus Gelächter und ernst vorgetragenen Meinungen. Einige musterten mich, vermutlich wegen des vorherigen Zwischenfalls mit dem Kommodore. Ich erwiderte ihre Blicke friedfertig. Als ich mich an die Bar setzte, machten sie Platz, schenkten mir jedoch keine weitere Beachtung. Ich bestellte mir etwas zu trinken und sah mich um. Vielleicht würde es mir gelingen, diesen Prescott zu finden oder mich mit Lady Angela unter weniger konfrontationsgeladenen Umständen zu unterhalten. Einer der jungen strammen Uniformträger neben mir stellte sein Glas behutsam auf die Theke und schüttete es mit dem Ellbogen genauso behutsam um.
    Es war plump – ein plumper Versuch, einen Streit anzuzetteln, als wolle er seine Kumpels beeindrucken. Der Alkohol kroch über das Holz auf mich zu. Der Uniformträger drehte sich gespielt überrascht um.
    »Was sollte das?«, erkundigte ich mich.
    »Oh, oh. Tut mir ja so leid, Sir.« Der Uniformträger heuchelte Bestürzung. Nur ein Junge, dessen Fähnrichspange noch wie neu glänzte. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht beleidigt …«
    »Such dir Streit mit jemand anderem, Junge.« Ich stand auf, bevor mich die verschüttete Flüssigkeit erreichte, ließ sie auf den leeren Hocker tropfen und ergriff mein Glas. »Du hast die Möbel von Lady Tomb versaut. Hol dir einen Wischlappen und mach dir zunutze, was du in der Akademie gelernt hast.«
    Ich durchquerte den Raum, ging woandershin. Mittlerweile hämmerte schwerer Regen gegen die Glasscheiben, durchsetzt mit Blitzen und peitschendem Wind.

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