Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
sich als überraschend kräftig. »Ich bin Malcolm Sloane. Hat Ihr Vater mich je erwähnt? Nein?«, fuhr er fort, ohne eine Reaktion abzuwarten. »Vermutlich nicht. Aber wir kennen einander. Sie müssen demnach sein Sohn sein. Jacob. Der Interessante.«
Ich schob meine Jacke vor und ließ ein Stück der Pistole aufblitzen, genug, um ihn wissen zu lassen, dass er mit jemandem redete, der wenig Spaß verstand. Sein Lächeln wurde echt.
»Meine Güte. Ja, in der Tat interessant. Ich muss schon sagen, Mr Jacob, es überrascht mich, Sie hier zu sehen.«
»Ich wurde eingeladen.«
»Natürlich. Ich meine nur …« Er schwenkte einen Arm in Richtung all der Leute rings um uns, von denen die meisten eine Uniform trugen. »Sie sind beim Korps nicht besonders beliebt. Bereitet Ihnen das keine Sorgen?«
»Sollte es das?«, gab ich zurück.
»Nun ja, ich meine, hier sind etliche junge Rekruten, die allesamt trinken. Fürchten Sie nicht, einer könnte zu viel erwischen, zu viel reden, vielleicht zu viel wagen? Und versuchen, Streit anzuzetteln?«
Ich schnaubte verächtlich. »So ein Streit kommt manchmal vor. Ich kann auf mich aufpassen.«
»Oh, das bezweifle ich nicht. Dennoch sollte man darüber nachdenken.« Er lächelte kalt und betrachtete die Menge. »Vielleicht haben Sie recht. Vermutlich hat keiner von denen genug Eier in der Hose.« Er sprach das Wort merkwürdig aus, wie ein hochanständiger Mann, der zu fluchen versuchte, um sich einer derben Gesellschaft anzupassen. »Aber vielleicht würden sie etwas Feiges tun, hm? Mitten in der Nacht. Mit einer Pistole.« Er wandte sich wieder mir zu. »Immerhin sind Sie ein äußerst unpopulärer Mann.«
»Woher sagten Sie noch mal, kennen Sie meinen Vater?«
»Über Bekannte. Alte Bekannte. Nun denn.« Er stellte sein Glas ab und tätschelte meinen Arm. »Seien Sie auf der Hut, Mr Jacob Burn. Ich glaube, hier sind einige verzweifelte Menschen. Ah.« Er verengte die Augen, als er quer durch den Raum schaute. »Entschuldigen Sie mich.«
Ich drehte mich um und folgte seinem Blick. Angela Tomb bahnte sich den Weg durch die Gäste und versuchte, die Feier zu beenden. Als ich mich wieder umwandte, war der seltsame Mr Sloane verschwunden.
Ich seufzte und trank aus, dann suchte ich Harold und zupfte an seinem Ärmel.
»Sir?«, fragte er.
»Diese Gildenleute, die Schöpfer. Sind sie schon abgereist?«
»Nein, Sir. Sie wurden in Quartieren untergebracht.«
»Wo?«
»Sir?«
»Wo sind sie? In welchem Raum?«
»Die … äh … Unterhaltungskünstler pflegen für gewöhnlich keinen Umgang mit den Gästen.«
»Verraten Sie mir nur, in welchem Raum, ja?« Ich drückte ihm das einzige Bargeld in die Hand, das ich dabeihatte. »Sagen wir einfach, ich bin ein neugieriger Mensch.«
»Natürlich, Sir. Sie sind in den Bedienstetenquartieren untergebracht, in der Nähe des Luftschiffdocks.«
»Gibt es irgendwo eine Treppe hinunter?«
»In der Nähe der Küchen, Sir. Auf dieser Seite des Theaters.«
»Danke.« Ich klopfte ihm auf die Schulter, dann ging ich in mein Zimmer. Ich wollte nicht übereifrig wirken.
Das Unwetter tobte weiter, wurde vielleicht sogar noch schlimmer. Angela hatte mir ein Zimmer mit Fenster im zweiten Stock gegeben. Kein Vorteil in einer solchen Nacht. Der Raum war den gesamten Winter über verschlossen gewesen und erst vor wenigen Stunden von der Dienerschaft geöffnet worden. Die Luft war abgestanden, die Laken rochen nach Staub und Spinnweben. Der Sturm draußen brachte die Vorhänge zum Wehen, was bewies, dass dieses alte Gemäuer zugig war.
Ich lag vollständig bekleidet im Bett, bis ich ziemlich sicher war, dass alle anderen schliefen oder besinnungslos waren. Dann holte ich die Pistole aus dem Versteck hervor, in das ich sie gelegt hatte, überprüfte noch einmal das Magazin und schlich hinaus auf den Gang.
Die Lichter des Korridors waren gedämpft worden. Der Teppich verschluckte meine Schritte, als ich die Treppe hinunterschlich. Ich gelangte zum Bedienstetenflur, ohne von jemandem gesehen zu werden. Auch hier herrschten Stille und Dunkelheit. Keine Fenster nach draußen, nur kalter Steinboden und Holztäfelungen. Lautlos wie eine Katze bewegte ich mich weiter. Hier unten gab es eine Menge Türen. Vielleicht hätte ich Harold für mein Geld ein paar Einzelheiten mehr abringen sollen.
Trotzdem brauchte ich nicht lange zu suchen. Sie hatten die Lichter an und die Tür offen gelassen. Die Unterkunft befand sich von der Haupttreppe aus hinter einer
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