Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
hatte, und hielt auf den Pfad zu, der mich beim ersten Mal hierhergeführt hatte.
Der Rasen war sehr nass, eine schwammartige grüne Ebene. Oben am Hang sah ich vereinzelte Lichtstreifen, die aus dem Haus fielen, und fragte mich, ob sich das Korps in die Dunkelheit wagen würde, um mich zu jagen oder mir zu helfen. Etliche Leute in jenem Saal würde es nicht stören, mich tot zu sehen, Leute, die sich das gegenwärtige Chaos unter Umständen zunutze machen würden, um mich auszuschalten. Ich schaute zum Himmel empor und erspähte zwischen den Wolkenfetzen einen Schimmer des Mondes. Der Sturm zog ins Tal hinab, obwohl es auf den Höhen immer noch heftig regnete.
Der Engel wartete an dem breiten Steinweg, der sich zum nächsthöheren Balkon hinaufschlängelte. Ich hatte die Pistole in der Linken, den Hammer in der Rechten. Kurz spielte ich mit dem Gedanken an Flucht, aber die Flügel falteten sich über seinen Schultern auseinander und zusammen wie eine gewaltige Faust, die nur darauf wartete, mich niederzustrecken. Er betrachtete die Pistole und zuckte mit den Schultern. Ich hob den Hammer an.
»Du bist Jacob Burn«, sagte er.
»Ja.« Wasser strömte mir über das Gesicht. Der überflutete Rasen presste schlammige Finger zwischen meine Zehen. Ich fühlte mich lächerlich und fror, und ich war zu müde, für ein Frage-und-Antwort-Spiel. »Und du?«
»Sie halten Ausschau, Jacob Burn. Sie warten auf dich.«
»Wer?« Ich hob die Pistole. »Ist es das, was dieses Ding sein soll? Eine Warnung?«
Langsam schüttelte er ein Mal den Kopf. Dann streckte er den Arm aus und trat vor, bis seine offene Hand in der Nähe meines Herzens schwebte.
»Gib es mir, und dies endet. Ich dachte, dieser Marcus-Mann wäre das Ende der Kette, aber es ist an dich übergegangen.«
Ich lauschte dem auf meine Schultern fallenden Regen und beobachtete, wie die Tropfen in meiner Handfläche eine Pfütze bildeten. Das Artefakt, das Mechagen, lag auf Emilys Schreibtisch.
»Ich habe es nicht.«
»Wer hat es dann?«
Grinsend zuckte ich mit den Schultern. »Keinen Schimmer.«
»Doch«, widersprach er und packte mich mit einer Faust am Kragen. »Hast du.«
Ich schwang den Hammer in kurzem, engem Bogen, ließ den Ellbogen gebeugt. Der Metallkopf grub sich in seine Schläfe. Seine Hand fiel von meiner Jacke ab, und er taumelte rückwärts. Ich hob die Pistole an und feuerte zwei Schüsse ab, jagte ihm Kugeln in die rechte Schulter, bevor er sich auf mich stürzte. Wir rollten über den Rasen, schlitterten über das Gras, endeten nebeneinander. Ich verlor die Pistole.
Er schrie und kam auf die Knie. Es war ein unmenschlicher Laut, der eines explodierenden Boilers, von sich verbiegendem Metall. Sein Gesicht war schmerzvoll zerschmettert. Er hob einen Arm, und verborgene Mechanismen surrten. Die Hand begann, zurückzuklappen. Ich ließ ihm keine Gelegenheit. Ich schwang den Hammer in weitem Bogen, drosch wiederholt auf sein Handgelenk und seine Knöchel ein. Metall klirrte und verbog sich, Zahnräder und Kolben zerbrachen, als Wellen aus der Spur gerieten und die Maschine in Stücke rissen. Dann brach noch etwas; Metall knirschte unter dem Hammer, und seine Hand hing plötzlich schlaff in unnatürlichem Winkel herab. Sein Gebrüll veränderte sich, schwoll über Schmerz und Frustration zu animalischem Grauen an. Er fasste mit der anderen Hand nach mir, doch ich stieß sie mit dem Ellbogen beiseite und trieb ihm die Klaue des Hammers in die Wange. Dort bestand er aus Blut und Knochen. Seine Haut flog in Klumpen davon, die auf dem nassen Boden landeten und wegschlitterten.
Erschrocken wich ich zurück. Die Hälfte seines Gesichts war in sich zusammengefallen, aber dahinter verbarg sich etwas anderes, bleich und blutend. Er warf sich auf mich, schlug mit dem verheerten Armstumpf auf mich ein, legte die Eisenfinger der anderen Hand um meine Kehle. Ich fiel zurück. Indem ich mich krümmte, gelang es mir, den Hammer in seine Brust zu schlagen. Erst stieß ich auf Widerstand, dann quoll Blut hervor, und ich schleuderte ihn über mich hinweg. Nach Luft ringend rappelte ich mich auf die Knie. Als ich aufschaute, stürzte er sich erneut auf mich. Die Flügel schlugen nutzlos und zerfielen, als er auf mich zuraste. Ich begrüßte ihn mit dem Hammer, schlug wieder und wieder zu, stolperte bei jedem Treffer rückwärts, blieb immer knapp außerhalb der Reichweite seiner Hand, der surrenden, blutigen Maschine seines Stumpfs. Der Hammer beschrieb unablässig
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