Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
legte sich aber innerhalb einiger Tage. Es war bloß ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt dafür, dass sich meine geheime Maschine in meinen Brustkorb bohrte wie ein Maulwurf, der sich durch die Erde den Weg zu frischer Luft bahnt. Ich hielt mir eine Hand auf die Brust, als ich die Verandastufen hinunterstieg und in die schmale, nach morschem Holz riechende finstere Seitengasse trat. Ich konnte das Rumoren in meinem Inneren an der Handfläche spüren.
Auf der Treppe ließ ich mir Zeit und dachte über das nach, was gerade geschehen war. Valentine lässt mich im Regen stehen , dachte ich . Bislang bin ich nützlich für ihn gewesen, aber jetzt verkörpere ich zu viel Ärger. Später, wenn der Druck nachlässt und er mich wieder brauchen kann, lässt er mich vielleicht wieder in seine kleine Bande. Auch gut. Scheiß auf ihn.
Als ich von der Veranda trat, kam Cacher unter dem losen Geländer der Treppe hervor und versuchte, mir mit einem lederumwickelten Knüppel den Schädel einzuschlagen. Ich erblickte ihn gerade noch rechtzeitig aus dem Augenwinkel, um mich dafür zu verfluchen, nicht mit ihm gerechnet zu haben, und um blindlings eine Hand gegen seinen herabsausenden Unterarm zu schlagen. Der Knüppel prallte von meiner Schulter ab, streifte meinen Kopf beim Abwärtsschwung nur. Ich taumelte, packte den Großteil seines Kragens und zog ihm den Mantel hinderlich über die Schultern und den Kopf. Cacher versuchte, sich zu befreien und erneut auszuholen, aber ich trat ihm mit dem Absatz gegen ein Knie, und dann gingen wir beide zu Boden, kämpften grunzend miteinander und rollten uns durch Pfützen und Schlamm.
Es endete, als es mir gelang, den Arm um seine Kehle zu schlingen, die Faust an der Schulter, den Ellbogen nach unten gedrückt. Er schaute mit so zornigen, wahnsinnigen Augen zu mir auf, dass ich angesichts der Raserei darin beinah zurückzuckte. Stattdessen jedoch wartete ich, bis sich sein Griff um meinen Arm lockerte, dann kletterte ich rittlings auf ihn und schlug ihm zweimal in rascher Folge auf die Wange. Ich stand auf und trat den Knüppel in eine Abflussrinne, bevor ich Cacher durchsuchte. Mein Dienstrevolver von der Pracht steckte in seiner Manteltasche.
»In was hast du sie hineingeritten, Burn?« Er lag auf der Seite, und seine Worte klangen feucht und fern. Ich rollte ihn auf den Rücken, damit er sehen konnte, dass ich den Revolver hatte.
»In nichts, Cache. Auf jeden Fall in nichts Schlimmeres als die Dinge, die du sie tun lässt.«
Er grinste höhnisch, verzog den Mund zu einem wütenden Schlitz schwarzer Zähne und roten Zahnfleischs. »Nur, weil sie dich bezahlen lässt wie …«
Ich beugte mich hinab und rammte ihm den Griff der Waffe mit der Messingeinlage gegen die Schläfe, dann schleifte ich ihn unter die Treppe und ließ ihn zurück.
Emily wohnte in Hochmarsch, ziemlich im Zentrum der Stadt. Die Hälfte Veridons lag darüber, die andere Hälfte breitete sich darunter aus, jeweils in weitläufigen, flachen Terrassen. Es war ein Ort mit gepflegten Häusern mit Spitzdächern und Spitzenvorhängen vor Fenstern, die auf rechtwinklig angelegte saubere Straßen- und breite Alleen blickten. Hier gab es weder die klaustrophobische Enge der Altstadt noch die teilnahmslose Baufälligkeit der Hafenbezirke. Ich musste eine Weile laufen, um hinzugelangen, und als ich mir schließlich einen Weg durch den Verkehr des Marktes und das Gedränge der Karren von den Häfen bahnte, hatte sich eine unnatürliche Frühlingshitze wie Nebel über die Stadt gesenkt. Die Steine funkelten vor Wärme und dem stumpfen Glanz starken Verschleißes.
Ich schwitzte. Trotzdem behielt ich die Jacke an und eine Hand auf dem Revolver in meiner Tasche. Als ich sie davon löste, um mir den Schweiß von der Stirn zu wischen, stanken meine Finger nach heißem Metall und Kordit. Die verstellten Getriebe meines Herzens hatten einen stechenden Takt angenommen, sie schlingerten und stockten, schlingerten und stockten. Am Gaumen schmeckte ich Öl, dick wie Blut.
Ich begab mich zu einem Eingang etwa einen Block von Emilys Wohnung entfernt. Dort lehnte ich mich an den Geländerpfosten und konnte den Großteil der Straße vor ihrer Anschrift überblicken. Es handelte sich um ein ruhig gelegenes Haus mit Ziegelsteinfront, mehrfach unterteilt, um eine Reihe junger Paare beherbergen zu können, die eine gute Adresse wollten, aber knapp bei Kasse waren. Die Leute auf der Straße gingen stetig ihrer Wege. Niemand lungerte herum oder
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