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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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zu schaffen. Er war groß und dürr, hatte papierglatte Haut und ein langes, schmales Gesicht. Der Bursche war förmlich gekleidet, trug die Aufschläge seiner Ärmel ordentlich zurückgefaltet und festgesteckt. Seine Arme schienen nur aus Knochen zu bestehen, als wäre das Fleisch davon abgezogen worden. Ich kannte ihn nicht, deshalb versuchte ich, mich aufzusetzen. Die Schmerzen schleuderten mich zurück, bevor ich weit kam. Es fühlte sich an, als wären meine Lungen an den Tisch getackert. Stöhnend drehte ich den Kopf zur Seite. Emily war da, die Hände im Schoß gefaltet. Sie lächelte verhalten.
    »Wer ist der Kerl?«, fragte ich. Meine Stimme klang abgehackt, und die Schmerzen in meiner Brust verstärkten sich wieder.
    »Wilson. Er ist ein Freund von mir, Jacob.«
    »Wilson«, brummte ich. »Wilson. Du warst Mitglied der Gruppe von Blockadestürmern bei den Aufständen zum Wassertag. Dieser Wilson?«
    »Ein anderer«, antwortete er.
    Ich begann, mich aufzurappeln. »Bei allem Respekt, Emily. Ich lasse mich nicht von jemandem aufschneiden, den ich nicht …«
    »Hör auf, störrisch zu sein«, mahnte sie mich und drückte mich zurück. Ich redete mir zwar ein, dass ich mich zur Wehr setzte, aber in Wirklichkeit brach ich einfach zusammen. »Du bist in ziemlich übler Verfassung.«
    »Du bist in tödlicher Verfassung, Söhnchen.« Lächelnd zuckte Wilson mit den Schultern. Es war ein komplexes Schulterzucken, als hätte er unter seinem weißen Kittel mehrere Schultern. Als er sich abwandte, sah ich eine Ausbuchtung, die beide Schultern bedeckte und seinen Rücken hinab verlief. Also ein Anansi, der versuchte, sich an gewöhnliche Menschen anzupassen. Die Anansi waren ein spinnenartiges Volk, das die Steilhänge um Veridon jahrelang bevölkert hatte, bevor die Menschen den Weg zum Delta fanden. Sie leisteten Widerstand, als wir uns ansiedelten. Viele waren nicht mehr übrig, und die meisten davon dienten praktisch als Sklaven für verschiedene akademische Einrichtungen und Regierungsorganisationen. Obwohl die Anansi in Höhlen lebten und Fleisch roh aßen, besaßen sie eine unheimliche Begabung für Technologie.
    »Ich habe zwar schon Schlimmeres gesehen«, meinte er, »aber noch nie bei Menschen, die noch reden konnten.« Er wandte sich mir wieder zu und hielt etwas, das wie ein Korkenzieher mit Griff aussah. Ich bemerkte die anderen Anzeichen seiner Art, die kleinen, scharfen Zähne, die gekrümmten, klauenähnlichen Fingernägel. Er lächelte. »Du solltest stillhalten.«
    Ich tat, wie mir geheißen. Der nächste Teil schmerzte heftig, und wahrscheinlich verlor ich während der blutigeren Abschnitte das Bewusstsein. Der nächste klare Gedanke, den ich hatte, war Hunger, und ich saß aufrecht in einer Art steifem Stuhl. Wilson betrachtete mich neugierig, als wäre er nicht sicher, was ich war. Ich nickte ihm zu.
    »Danke, dass du dich um mich kümmerst. Nett von dir.« Es fiel mir schwer zu sprechen, als wäre ich von angestrengtem Laufen außer Atem. Wilson ließ erneut mit einem Lächeln jene winzigen Zähne aufblitzen.
    »Nettigkeit dieser Art kann man mit Geld kaufen, Jacob Burn. Mit Geld und Neugier. Du solltest eigentlich tot sein.«
    »Pilotenaggregat.« Ich deutete auf meine Brust. »Lässt den Körper weitermachen, damit das Luftschiff nicht verrücktspielt, wenn der Pilot bei schlechtem Wetter oder im Kampf verletzt wird. In gewisser Weise ist ein Pilot die einzige wichtige Person an Bord eines Schiffs.«
    »Nein«, widersprach er kopfschüttelnd. Mittlerweile trug er Stadtgewänder, eine eng anliegende Weste und ein Anzughemd. Der Buckel kam deutlicher zur Geltung. Er verlagerte sich, während er redete. »Du bist kein Pilot, Jacob Burn.«
    »Schon gut, leck mich doch. Ich kenne meine Geschichte, ich weiß, was passiert ist. Ich erinnere mich daran. Ich brauche niemanden, der es mir erzählt.«
    »Entschuldige mal.« Wilson verschränkte die Arme vor der Brust. »Lass mich ausreden. Ich weiß gar nichts über dich. In Ordnung? Mag sein, dass du in der Welt des Verbrechens eine Berühmtheit bist, aber davon weiß ich nicht das Geringste. Ich finde deine Reaktion auf unterhaltsame Weise wichtigtuerisch. Du musst mir einfach zuhören. Du bist kein Pilot.«
    Ich starrte ihn an, wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte.
    »Kein Pilot. Aber was ist mit der Akademie?«
    »Oh, du bist vielleicht als Pilot ausgebildet worden. Aber das …« Er zeigte mit einem langen, spitzen Finger auf meine Brust.

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