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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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verspüre das tiefe Bedürfnis, sie zu sehen.«
    Der Erschaffer erbleichte noch mehr. »Das … Es gibt kein solches Wunder im Haus des Algorithmus.«
    »Doch, ich glaube schon, Bruder.« Ich packte ihn an den Schultern und starrte ihm tief in die Augen. »Es wurde mir offenbart. Du kannst es eine Prophezeiung nennen. Also, wo ist die Säule?«
    »Sie ist nicht … nicht für Menschen gedacht. Nicht für die Gottlosen. Die Säule ist ein ganz besonderes Geschenk Gottes.«
    »Ja, ist sie. Deshalb muss ich sie auch sehen. Du musst sie mir zeigen. Gewiss würdest du einem Pilger einen solchen Wunsch nicht verweigern, oder?«
    Er kniff die Lippen zusammen, schwenkte den Blick und schüttelte den Kopf. Emily schlug ihn.
    »Na schön«, sagte ich. »Morgan hat mir einen Hinweis gegeben. Ich hatte nur gehofft, mit dem einfachen Weg durchzukommen.«
    »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, gab Emily zurück, während sie den gefallenen Erschaffer betrachtete. Er war bei ihrer Berührung zusammengesackt und hatte sich eingerollt. »Mach schnell.«
    Ich ignorierte sie. Mein Gedächtnis ließ mich nicht im Stich, und ich fand die alten Familienkirchenbänke. Ohne Predigten und Chöre liefen Gottesdienste des Algorithmus weniger strukturiert als die älteren Zeremonien der Celesten ab. Ironisch, wenn man darüber nachdachte. Die Kirchenbänke standen unterschiedlich angeordnet im Raum verstreut und wiesen in verschiedene Richtungen.
    Ich fuhr mit einer Hand über das weiche Holz unserer Bänke, setzte mich und schloss die Augen. Das war mir vertraut. Mein Herz schien sich mit dem Raum zu synchronisieren und pulsierte durch meine Knochen. Als ich die Lider öffnete, erblickte ich die Säule etwas links von mir am Ende eines willkürlichen Gangs.
    »Emily!«, rief ich und ging auf die Säule zu.
    »Ist sie das?«, fragte sie. Ich nickte.
    Aus der Nähe erkannte ich, dass es sich nicht wirklich um eine Säule handelte, sondern um zwei dicht beisammen montierte Nockenwellen. Sie drehten sich rasend schnell, sodass sie wie ein einziger Schaft wirkten. Auf der Oberfläche der Säule befanden sich Reliefs. Die schnellen Bewegungen der Wellen animierten sie, sodass die Muster über den Zylinder tanzten und krochen. Der Anblick erinnerte an fließendes Wasser, wirkte wie Ströme, die sich durch den Stahl schlängelten. Vom Boden, wo die Wellen in den Stein verschwanden, stieg heiße Luft auf.
    »Ich kenne dich!« Ich drehte mich um. Es war der Erschaffer, der sich mit blutigem Mund an einer der Kirchenbänke meiner Familie abstützte. »Burn, das Kind. Dein Vater hat dich geschickt.«
    »Schon lange nicht mehr«, entgegnete ich.
    »Doch, hat er, ich weiß es. Meine Brüder werden es erfahren.«
    »Was kannst du mir über diese Säule sagen?«, erkundigte ich mich. Er verstummte, dann setzte er sich auf die Bank. Ich blickte die Säule hinauf. In der Nähe des oberen Rands befand sich etwas Vertrautes.
    »Ich muss da rauf«, erklärte ich. Emily nickte und sah sich nach etwas um, das mir den Aufstieg ermöglichen könnte. Eine wirbelnde Säule war nichts, woran man einfach hochklettern konnte.
    »Die Kirchenbänke«, schlug sie vor.
    »Oh. Das wird meinem Vater gar nicht gefallen.« Ich lächelte, durchquerte den Gang und zerrte den Erschaffer von seinem Sitzplatz.
    Wir kippten die Bank senkrecht, wobei wir beide zupacken mussten, dann lehnten wir das schwere Holz gegen ein nahes Wandbildnis. Dessen Zahnräder schabten daran, dann stockten sie. Etwas tief in der Wand brach, und Rädchen klirrten über den Steinboden.
    »Das wird Aufmerksamkeit erregen«, meinte Emily. Der alte Erschaffer war verschwunden, hatte sich aus dem Staub gemacht, während wir mit der Bank kämpften.
    »Ich beeile mich.«
    Rasch kletterte ich zum oberen Rand der Säule. Meine Hände rutschten auf dem polierten Holz der Kirchenbank. Oben beugte ich mich zur Säule, so dicht ich es wagte. Die Geschwindigkeit der Rotation blies mir heiße Luft ins Gesicht.
    »Das wirst du nicht glauben«, rief ich nach unten.
    Zwischen den Wellen war ein Räderwerk eingebaut, das die Säule antrieb. Es besaß zahlreiche Zähne und unzählige Rädchen, konzentrische Kreise, die sich zusammen bewegten und wie Quecksilber ineinanderzufließen schienen.
    »Es ist das Mechagen. Das verfluchte Artefakt«, brüllte ich. Nur war es das nicht. Es ähnelte ihm lediglich, war genauso kompliziert, genauso wunderschön. Mir fiel auf, dass sich sein Takt in jedem Wandbildnis widerspiegelte. Der

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