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Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz von Veridon: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Akers
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konnten. Sie kamen zur Kirche, zur Quelle, zu den heiligen Männern der Mechagenetik. Hier bezahlten sie mit Blut und Zeit, liehen ihre Körper den neugierigen Erschaffern der Kirche. Heraus kamen sie verändert – oder gar nicht.
    Mein Vater hatte vorgeschlagen, dass ich mich hierherbegeben sollte, nachdem die Ärzte der Akademie versagt hatten und selbst mit dem Geld, das mein Vater auszugeben bereit gewesen war, keine Heilung gefunden werden konnte. Er hatte es als Drohung gemeint. Ich hatte es als Kapitulation aufgefasst und war gegangen.
    »Die sind mir unheimlich«, meinte Emily. Sie stand dicht bei mir und hatte die Hände in dem breiten Umhang verborgen, den wir an diesem Morgen gekauft hatten. Zu meiner Bestürzung hatte sie eine Pistole darin versteckt.
    »Dafür können sie nichts. Es sind verkommene Menschen mit verkommenen Herzen.« Wir überquerten den Steinhof zu einem der gemarterten Gärten, durch den wir zum nächsten Hof gelangten. »Was dir wirklich unheimlich sein sollte, ist das Innere der Kirche.«
    »Ich habe gehört, es soll wunderschön sein. Oder zumindest beeindruckend.«
    »Das sind zwei sehr verschiedene Dinge.« Ich zog den Kopf ein, als wir uns der massiven Flanke der Kirche näherten. »Du wirst schon sehen.«
    Wie so vieles in Veridon war auch die Gegenwart des Algorithmus ein Privileg, das man sich verdienen musste. Bettler blieben draußen. Bürger durften sich den Mauerbildern nähern, den fertiggestellten Mysterien des Musters. Um den Kern zu erreichen, das sich stetig ändernde Zentrum der Kirche, musste man ein Mitglied des Rats sein, des Bluts von Veridon. An diesem Tag verkörperten wir Bürger.
    Die Säule, die mir der tote Erschaffer Morgan beschrieben hatte, befand sich in der Nähe des Zentrums, im Privilegiertenbereich des Maschinenreichs. Ich wollte dorthin, aber im Augenblick war es zu gefährlich. Ich wusste nicht, welche Rolle die Kirche bei alldem spielte. Falls sie bei der undurchsichtigen Verfolgungsjagd, die gegen mich im Gange zu sein schien, die Hand im Spiel hatte, wollte ich nicht mitten in ihre Stube hineinspazieren und mich vorstellen. Das war schon bei den Tombs nicht gutgegangen, dabei hatte ich bei Angela zu wissen geglaubt, was ich von ihr zu erwarten hätte. Die Kirche verstand ich nicht mal.
    Die Türen waren schlicht. Der Erschaffer, der auf einer Seite davon stand, beachtete uns nicht weiter und nickte unter der braunen Kapuze nur mit dem Kopf, als er das Klimpern unserer Münzen hörte. Er fragte nicht einmal, welche Tür, sondern öffnete einfach die für Bürger.
    Das schwere Holz fiel widerhallend hinter uns zu. Der Gang erwies sich als dunkel und roch nach Kohlenrauch und übertakteten Motoren. Das einzige Licht stammte von den Altarverteilern um die Ecke. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen daran gewöhnten. Emily zupfte an meinem Ärmel. Sie hatte die Pistole hervorgeholt und hielt sie dicht am Körper. Die Luft um uns wirkte schwer, die Wände bewegten sich, angetrieben von kaum wahrnehmbarem Räderwerk. Ventile ächzten und stöhnten in der Finsternis.
    »Bringen wir es hinter uns.« Sie schaute zur Tür hinter uns zurück. »Das ist, als würde man von der Stadt gefressen.«
    »Du hättest eine fürchterliche Pilotin abgegeben«, meinte ich.
    »Als ob du das wissen könntest.«
    Je näher wir dem Raum mit den Wandbildnissen kamen, desto deutlicher konnten wir die Mauern rings um uns erkennen. Alles schauderte unter dem ständigen Mahlen der Maschinen. Die Schwärze selbst schien ein Teil davon zu sein und vibrierte mit unglaublicher Frequenz. Die Luft in meinen Lungen fühlte sich wie Hydraulikflüssigkeit an, die brandete, hin und her wogte, mich antrieb.
    Der Bürgerraum war wenig mehr als eine Ausstellung. Es handelte sich um einen langen, schmalen Saal, der sich über die Breite des Gebäudes erstreckte wie eine Achse durch ein Rad. Die Wände waren lebendig, bestanden statt aus Ziegelsteinen aus Räderwerken, statt aus Säulen aus Wellen, die im Boden versanken oder komplexe Darstellungen an der Decke antrieben.
    All das diente nur zur Schau. Die wahren Geheimnisse bündelten sich bei den Altären. Schwalle von Mechagenen ragten auf den Gang heraus wie ein riesiges Meerestier, das aus der Wand hervorgebrochen und auf dem Steinboden gestrandet war. Dies waren die aktivsten Teile des Raums, ausgesprochen beweglich, und in ihrer Komplexität wirkten sie beinah empfindungsfähig.
    »Ist das ein Gesicht?«, fragte Emily und

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