Das Herz von Veridon: Roman (German Edition)
blubberte aus ihrer Kehle und rann wie Sirup über ihre Zähne und ihr Kinn hinab. Panisch zog ich an dem Rohr, doch es rührte sich nicht. Es fühlte sich wie an ihren Rippen verankert an. Als es sich schließlich löste, strömte ein dünner Strahl sandigen Metalls heraus, der auf ihrer Brust zum Liegen kam. Emily zuckte krampfhaft und fiel zu Boden.
»Was hast du gemacht, verdammt noch mal?«, brüllte ich.
»Sie repariert, Kind. Sie wird wieder heil.«
Ich zerrte Emily vom Boden hoch. Ihre Haut und ihre Kleider klebten an der Eisschicht. Die Flüssigkeit, die aus ihrem Mund brodelte, hatte sich zu einem Schorf mechanischer Teile verhärtet, die sich lösten und klappernd zu Boden fielen. Sie fühlte sich steif an. Ich setzte sie zurück auf den Stuhl und schüttelte sie. Emily atmete zwar, war allerdings bewusstlos. Eine Mischung aus Zinn und Blut befleckte ihre Zähne.
»Was stimmt nicht mit ihr?« Ich wirbelte zum Käfig herum und wünschte, ich hätte meine jämmerliche kleine Pistole gehabt. »Was zum Henker stimmt nicht mit ihr?«
»Der Fötus nistet sich ein.« Sie seufzte und sackte gegen die Gitterstäbe ihres Käfigs. »Menschen sind so leicht erregbar. Die da wird heute nicht sterben. Ist das akzeptabel?«
»Ich … Ich denke schon.« Mein Blick wanderte zu Emily. Sie atmete. »Das ist mehr, als ich für sie tun konnte.«
Das Mädchen schwieg. Ich trat näher hin.
»Bist du …« Ich erschrak. Ich hatte keine Ahnung, wie man mit einem Mythos redete. »Wie bist du hierhergelangt?«
»Also hat mich die Welt vergessen? Es waren andere Zeiten. Einst war ich ein Wunder. Eine Göttin, ganz beisammen.«
»Also bist du Camilla. Du bist es wirklich.«
»Ein Mann gab mir einst diesen Namen. Der einzige Mann, dem ich aufrichtig vertraute.« Sie verlagerte in ihren Fesseln das Gewicht. Die biegsamen Leitungen schabten wie Steine aneinander. »Früher hatte ich einen anderen Namen. Ich glaube, dieser Teil wurde mir genommen.« Mit trüben Augen senkte sie den Blick wie ein Kind, das sich an etwas zu erinnern versucht. »Ja, es muss mir genommen worden sein. Ich vergesse nichts.«
Ich setzte mich auf die Fersen zurück. Mein Verstand rotierte wie ein unsteter Sturm, der sich zwischen Emilys Verletzungen und dem Schock darüber zusammenbraute, dem zu begegnen, was Veridons tatsächlicher Gottheit am nächsten kam.
»Du hast den Kodex in dir, richtig? Ich kann es in deinem Blut schmecken.«
»Was meinst du damit, Kodex?«
»Dein Aggregat. Du bist eines jener Kinder, der Bluter. Derjenigen, die auf ihre unbeholfene Weise fliegen. Manchmal bringen sie die zu mir, wenn sie sterben sollen. Damit der Geist in ihrem Blut nicht verschwendet wird.« Sie beugte sich näher, wobei sich ihre zerbrechlichen Rippen gegen ihre Fesseln krümmten. Ihre Augen wirkten warm und hell. »Bist du deshalb hier, Pilotenkind? Bist du im Begriff zu sterben, um mich zu nähren?«
»Hatte ich eigentlich nicht vor, nein.«
»Ah.« Sie zog sich wieder zurück. »Nun denn. Bist du gekommen, damit ich das Mädchen rette?«
»Auch das war nicht geplant. Aber danke dafür.«
»Gern geschehen.«
»Das war reines Fötalmetall«, sagte ich und stupste die Hand voll frischer Mechagene mit meiner Stiefelspitze an. »Es hätte sie umbringen können.«
»Kann sein.« Sie zuckte mit den Schultern, wodurch die Büschel ihrer kargen Flügelansätze zuckten. »Ich hielt es nicht für wahrscheinlich.«
»Tja, ich hätte schon gern gewusst, dass ihr Leben in Gefahr war.«
»Ihr Leben ist nach wie vor in Gefahr«, gab sie zurück. »Deines auch.«
»Was?«
»Dadurch, dass du hier bist und mit mir redest. Die Erschaffer werden euch beide tot sehen wollen.«
»Also, das überrascht mich nicht. Warum halten sie dich hier fest?«
Sie sah mich nicht mehr an. Ihr Blick war in weitere Ferne gerichtet, als der Raum zuließ. Als sie nicht antwortete, versuchte ich es mit einer direkteren Frage.
»An der Spitze dieser Säule, hoch oben in der Kirche …« Ich nickte in Richtung der rotierenden Spindel, die aus ihrem Rücken ragte und an der Stelle über ein Gelenk verfügte, um ihr etwas Bewegungsfreiheit zu lassen. »Dort befindet sich ein merkwürdiges Mechagen. Was ist es?«
Sie sah mich an, als hätte sie eben erst bemerkt, dass ich hier war. Etwas regte sich hinter ihren Augen – Begreifen oder Grauen. Ihre Stimme blieb ruhig.
»Was geht dich das an? Wieso bist du hergekommen?«
»Wie ich schon sagte, ich bin versehentlich hier. Ich kam
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