Das Herz
machte eine schwungvolle Bewegung mit der behandschuhten Hand und hielt jetzt die schimmernde Form des Fiebereis in den Fingern. »Versucht nicht, es mir wegzunehmen«, warnte sie. »Es ist ein Bild, mehr nicht. Aber es wurde den Elementargeistern gegeben, und wir werden dafür sorgen, dass es wohl genutzt wird.«
»Das geht zu weit ...«, setzte Stein der Unwilligen an.
»Das kommt dem Verrat, den Ihr abstreitet, ungeheuer nah«, sagte Aesi'uah.
»Wer seid Ihr, Eremitin?«, sagte Kessel des Schattens verächtlich. »Ein Wesen aus Knochen und Schlamm. Ganz zu schweigen davon, dass Ihr eine Traumlose seid — aus einem Land von Verrätern ...!«
»Das reicht.«
Yasammez' Stimme war wie ein Peitschenhieb in ihrer aller Gedanken. Obwohl sie keinen hörbaren Laut von sich gab, fielen die Kobolde, die gerade ihr Zelt die andere Seite der Höhle entlangtrugen, zu Boden und hielten sich erschrocken den Kopf. »Still jetzt — ihr alle. Wisst Ihr überhaupt, mit wem Ihr sprecht, Weib von den Elementargeistern? Hat es Euch niemand gesagt?« Yasammez trat einen Schritt vor, und obwohl es nur eine kleine Bewegung war, flatterten die Gewänder der Elementargeister, als sei ein mächtiger Wind aufgekommen. »Ich bin Yasammez von den Wanderwindbergen, die Tochter Krummlings! Ihr wagt es, Euer Urteil dem meinen entgegenzustellen?«
»Ihr habt das Siegel des Krieges abgegeben ...!«
»Ich habe das Siegel des Krieges Saqri gegeben, der Letzten meiner Blutslinie — der Heimstatt der Feuerblume! Sie und ihr Bruder-Gemahl hatten mir das Siegel überhaupt erst gegeben.« Sie schloss die ausgestreckte Hand, und das Bild des Fiebereis war plötzlich aus Kessel des Schattens' Hand verschwunden. »Ich werde Euch jetzt sagen, was geschehen wird. Ihr werdet zuhören und es verstehen. Wenn Ihr mir nicht gehorcht, wird Euch die Leere nicht erkennen, der Wind wird Euch nicht tragen, und das Dunkel wird Euch nicht verbergen.«
»Seit wir der Feuerblume Treue geschworen haben, waren wir immer ihre stärksten und entschlossensten Verbündeten«, erklärte Stein der Unwilligen nervös flackernd. »Das ist nur eine kleine Meinungsverschiedenheit — eine Verwirrung, entstanden durch die Feuer und Schatten des Krieges.«
Yasammez warf ihm einen kalten Blick zu und fuhr dann fort, als hätte er nichts gesagt. »Ich weiß nicht, was in diesen letzten Tagen geschehen wird. Ich weiß auch nicht, was meine eigene Rolle sein wird. Aber ich weiß sehr wohl, was die Eure sein wird, Kessel des Schattens. Ihr werdet das Fieberei sicher und unbeschädigt aufbewahren, bis ich etwas anderes sage. Habt Ihr verstanden?«
Das Feuer des weiblichen Elementargeists flackerte in einem düsteren Dunkelrot. »Ich werde niemals ...«
Yasammez öffnete ihre Hand, und diesmal erhob sich Kessel des Schattens in die Luft und wurde immer kleiner, bis sie kaum noch größer war als das Ei selbst, ein kleines schwarzes Bündel, aus dem Licht hervorsickerte.
»Das Ei darf nicht zerbrochen werden, ehe ich es Euch befehle.« Yasammez' Worte waren wie präzise Hammerschläge. »Unter keinerlei anderen Umständen wird es benutzt. Darauf verpflichte ich Euch bei dem Feuer, das in uns allen ist.
Habt Ihr verstanden?«
Das düsterrote Glühen ließ flackernd nach und lebte dann wieder auf, diesmal gemischt mit einem leichteren Leuchtendblau. »Ich habe verstanden«, sagte Kessel des Schattens schließlich.
»Und sagt Ihr es zu?«
Das Blau vertiefte sich zu Violett. »Ja. Ich sage es zu.«
Yasammez ließ die Hand sinken und gestattete Kessel des Schattens, wieder auf Normalgröße zu wachsen. »Des Weiteren werdet Ihr, wenn ich Euch das nächste Mal rufe, so schnell erscheinen, als ob Euch die schneidenden Winde des Dazwischen hierher wehen. Habt Ihr verstanden und sagt Ihr es zu?«
»Ich sage es zu.«
»Das wäre dann alles. Ich muss mich noch um andere Dinge kümmern.« Yasammez trat einen Schritt zurück, und der Druck, der das Gefühl erzeugt hatte, als rückten die Höhlenwände immer enger zusammen, ließ jäh nach. »Dies könnten die letzten Tage des Volkes sein. Lasst Euch nicht durch Eure kleinlichen Ambitionen und Hassgefühle dazu bringen, Verrat an Euch selbst zu üben — oder an uns.«
Und damit drehte sie sich um und ging aus der Höhle. Aesi'uah folgte ihr, mehr als beunruhigt.
Stein der Unwilligen, noch immer so durcheinander, dass sein Licht in einem fort flackerte, fand schließlich die Sprache wieder:
»Was habt Ihr Euch dabei gedacht, Sippenweib?
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