Das Herz
verschwunden, Prinzessin. Nicht einmal die Ältesten und Weisesten unter den Überlebenden unseres Volkes vermögen mit Sicherheit zu sagen, was das heißt. Er ist ein Unsterblicher, und Unsterbliche sind, wie das Wort schon sagt, schwer zu töten, aber es könnte möglich sein, wenn sie sterbliche Gestalt annehmen. Wir fühlen keine Spur von ihm in den Wassern, die jetzt unter uns strudeln — das hereinbrechende Meer hat sein Feuer gelöscht. Wo ist Feuer, wenn es nicht mehr brennt? Dort ist Zosim jetzt.«
»Ihr wollt also sagen, er ... es ... kann nicht zurückkommen? Wir sind sicher?«
Auf Aesi'uahs Gesicht stand ein seltsamer Ausdruck — fast schon ein Lächeln. »Niemand, der atmet, ist sicher, Hoheit.«
Briony nahm sich zusammen. Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete: »Danke für diese Auskünfte, Ratgeberin Aesi'uah. Habt Ihr mir sonst noch etwas zu sagen?«
»Nichts, außer dass wir den Schaden, den Euer Volk erlitten hat, ebenso bedauern wie unsere eigenen Verluste.«
»Aber ihr Zwielichtler habt doch das meiste von diesem Schaden angerichtet ...!«, sagte einer der Adligen, und die Unterströmung von Unmut drohte an die Oberfläche zu kommen und zur Woge zu werden.
»Mörder!«, rief jemand anders so laut, dass es alle hören mussten. »Dämonen!«
Das ärgerte Briony, aber sie wusste, viele ihrer eigenen Leute unterstützten sie nur, weil sie den Namen Eddon trug, und andere einzig und allein wegen der Anwesenheit des Prinzen von Syan und seiner Soldaten. Sie konnte es sich nicht erlauben, ihrem Ärger freien Lauf zu lassen.
»Bitte«, sagte sie und hob die Hand, um den anschwellenden Lärm zu unterbinden. »Ratgeberin Aesi'uah ist unser Gast. Was auch immer vorher war, am Ende haben die Qar an unserer Seite gekämpft, und viele von ihnen sind für diese Stadt und diese Burg gestorben. Vergesst das nicht.« Sie wandte sich an die Eremitin. »Aber wie Ihr seht, sind unsere Leute noch nicht ganz bereit, die Hand zur Versöhnung auszustrecken — und wer könnte es ihnen verdenken?«
Aesi'uah neigte den Kopf. »Wie Ihr sagt — wer könnte es ihnen verübeln?«
Briony meinte, in dieser Antwort einen spöttischen Unterton vernommen zu haben, und das gab den Ausschlag. Sie duldete nicht, dass diese Kreaturen sich über sie mokierten, auch wenn es noch so berechtigt war »Da wir noch viel zu besprechen haben und mein Bruder nicht zu mir kommt, gehe ich eben zu ihm.«
Es war ihr eine Genugtuung, so etwas wie Überraschung im schmalen Gesicht der Eremitin zu sehen. »Hoheit ...?«
»Entschuldigung — habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Ich gehe selbst hin und spreche mit Eurem Barrick, dem Herrn des Nebels und der Winde, oder wie auch immer sein großartiger neuer Titel lautet.«
»Aber, Hoheit, er ist ... er ist umgeben von ...« Aesi'uah fehlten offenkundig die Worte.
»Er ist was? Mein Bruder, ja, das ist er. Er befindet sich auf südmärkischem Hoheitsgebiet, in der Hauptstadt der Markenlande. Er ist umgeben von Zwielichtlern, die mir gerade erklärt haben, dass sie jedweden Schaden bedauern, den sie meinem Volk zugefügt haben. Was sollte es da für Schwierigkeiten geben?«
Eneas war ebenfalls schockiert. »Briony ... Prinzessin ... ich halte das nicht für klug.«
»Aber ich, Prinz Eneas. Mehr noch, ich halte es für dringend notwendig. Diejenigen, mit denen wir vor kurzem noch im Krieg standen, haben ihr Lager direkt unter uns aufgeschlagen, ganz in der Nähe eines Geflechts von unterirdischen Gängen, über die wir so gut wie nichts wissen. Wenn es uns schon schwerfällt, ein minderes Ärgernis wie Krey aus der Welt zu schaffen, stellt Euch doch vor, in welchem Hornissennest wir säßen, wenn zwischen uns und den Qar irgendetwas schiefliefe!« Sie sah sich um und stellte fest, dass, wie sie gehofft hatte, alle Augen im geräumigen Zelt auf sie gerichtet waren. »Natürlich werde ich hingehen.« Mit erhobener Hand unterband sie, was auch immer Eneas noch sagen wollte. »Allein, bis auf ein paar Wachen — es handelt sich schließlich um ein Gespräch zwischen Verbündeten. Ratgeberin Aesi'uah? Ihr könnt gehen und Prinz Barrick davon in Kenntnis setzen, dass ich heute, noch vor Sonnenuntergang, zu ihm kommen werde.«
Briony lehnte sich in ihrem improvisierten Thronsessel zurück, während die Eremitin aufstand und auf ihre anmutige, gelassene Art das Zelt verließ. Brionys Schädel pochte immer noch, aber sie fühlte sich etwas besser. Wenigstens würde sie endlich mit ihrem
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