Das Herz
Augen nichts gesehen habe. Es war, als ob ... Ich ...« Er schüttelte den Kopf und vergrub sein Gesicht in ihrem goldenen Haar; es war noch immer so kurz, dass er die Haut ihres Halses heiß an seiner Wange spürte. »Es war, als ob alles zwischen uns ... Lüge gewesen wäre.«
»Lieber Narr. Ich werde bald Königin sein. Ich muss verhindern, dass die Leute an meinem Gesicht ablesen können, was in mir vorgeht. Ich wäre nicht mehr am Leben, wenn ich meine Gefühle nicht vor anderen verbergen könnte.«
»Aber jetzt sind hier keine anderen«, sagte er und hob ihr Kinn an, bis er ihr ins Gesicht schauen konnte, dieses Gesicht, das er so lange nur in seiner Erinnerung hatte sehen können; einen Moment lang schien alles wieder nur ein Traum, aber er spürte sie, das gab ihm Sicherheit. »Nur wir beide.«
»Dann werdet Ihr jetzt erleben, was es mit unserer Liebe auf sich hat«, sagte sie und presste ihre Lippen auf seine.
»Geht es dir gut, Liebling?«
Sie regte sich. »Und ob. Es hat nur ein kleines bisschen wehgetan. Beim ersten Mal ist es ja angeblich immer so.« Sie lächelte. »Du bist jetzt mein Mann, für immer und ewig — der einzige Gemahl, den ich je haben werde, auch wenn nie ein Tempel unsere Gelübde hört. Ist dir das klar?«
»Nichts anderes will ich sein.« Er malte mit dem Finger Kreise auf ihren Bauch, aber schon nach kurzem überkam ihn der übermächtige Drang, sie dort zu küssen.
»Hör auf!«, sagte Briony lachend. »Das geht nicht! Denk doch an meine Fräulein, die diese Geschichte morgen in ganz Südmark herumerzählen werden, wenn ich sie nicht vor Mitternacht aus Merolannas Gemächern zurückhole.«
»Ich habe ihnen doch gesagt, es sei eine äußerst dringende Angelegenheit«, sagte er. »Das war doch nicht gelogen, oder?«
Sie gab ihm einen Klaps und rollte sich dann herum, um ihn zu küssen. »Ach, ich wollte, wir könnten immer so zusammen hier liegen, Vansen.«
»Mein Vorname ist Ferras«, sagte er fast schon schüchtern.
»Glaubst du, das wüsste ich nicht?« Sie lachte wieder. »Ich weiß alles über dich, was ich in Erfahrung bringen konnte. Zuerst, weil ich dich für den schlimmsten Kerl überhaupt hielt. Später dann ... na ja, da sind meine Gefühle anders geworden ... oder jedenfalls klarer.« Sie sah ihn an, jetzt plötzlich ernst. »Möchtest du lieber, dass ich dich beim Vornamen nenne?«
»Es ist mir egal, wie du mich nennst, solange du es mit diesem Blick tust«, sagte er.
Sie drehte sich auf den Rücken. »Aber das kann ich nicht. Nicht vor anderen. Das verstehst du doch, oder? Bitte sag, dass du's verstehst.«
»Ich glaube schon«, sagte er. »Aber wie kannst du jemanden lieben, der so weit unter dir steht, dass du diese Liebe vor allen geheim halten musst?«
»Närrischer Hauptmann Vansen! Ich könnte dich im Handumdrehen adeln. Ich
werde
dich adeln — sonst kannst du nicht mein Konnetabel werden. Aber was wir füreinander fühlen, muss trotzdem ein streng gehütetes Geheimnis bleiben.«
»An einem Ort wie diesem gibt es keine Geheimnisse — die Bediensteten und Wachen wissen immer alles.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann damit leben, dich nicht zu heiraten, Briony, obwohl ich sterben werde, wenn du einen anderen heiratest ... aber warum muss unsere Liebe geheim bleiben? Fühlst du denn nicht dasselbe für mich wie ich für dich?« Er erschrak plötzlich. »Du fühlst es doch, oder? Dasselbe wie ich?«
»Natürlich, du wunderbarer, aufrichtiger Mann — aber ich muss an mehr denken als nur an mein eigenes Glück. Wenn Kendrick oder mein Vater noch lebte, wäre es anders. Sogar schon, wenn Barrick sich nicht so völlig verändert hätte ...« Sie schüttelte den Kopf, und ihr Gesicht verdüsterte sich, als ob sich der Himmel bewölkte. »Aber ein normales Leben hat mir das Schicksal nun mal nicht zugedacht. Ich muss reserviert sein oder jedenfalls wirken. Ich muss so tun, als ob noch kein Mann mein Herz erobert hätte ... als ob es aber jemand erobern könnte, der Südmark ein nützlicher Verbündeter ist. So werde ich Politik machen. So werde ich unser Land vor dem Einfluss mächtiger Nachbarn bewahren.«
»Gilt das auch für Syan?«, fragte er misstrauisch.
Sie lächelte, aber diesmal war es ein trauriges Lächeln. »Gerade für Syan. Besonders für Syan.«
Er kroch näher an sie heran. »Sprechen wir nicht mehr von Syan. Küss mich.«
Als sie das und noch mehr eine Weile getan hatten, setzte er sich auf
»Geh nicht«, sagte sie schon etwas
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