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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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kann, was ich bin und was der Samen Krummlings ist, der in mir aufgegangen ist ...«
    »Es könnte einfach nur ein Koboldspuk sein«, sagte Opalia hastig. »Irgendein Erdgeist, der dein Denken verhext. Wir können ja die Metamorphosebrüder fragen ...«
    »Die Brüder würden mir vermutlich nicht mal dann helfen, wenn sie's könnten, Mama Opalia«, sagte der Junge mit einem liebevollen Lächeln. »Vergiss nicht, es liegt nicht zuletzt an mir und Papa Chert, dass sie keinen Tempel mehr haben.«
    »Gute ...!« Vansen lachte, aber es war kein befreiendes Lachen. »Fast hätte ich ›Gute Götter‹ gesagt. Kann das denn alles
wirklich
sein? Mir ist ganz schwindelig.«
    »Kann das denn alles wahr sein, ist doch wohl eher die Frage«, sagte Briony. »Ich meine, nimm's mir nicht übel, Flint, aber warum sollten wir dir glauben? Ich habe ja in letzter Zeit vieles dazugelernt, aber ich weiß nicht, ob es so weit geht, dass ich mir den Gott der Heilkunst im Körper eines kleinen Jungen vorstellen kann.«
    Flint lächelte wieder. »Eure Vorsicht ist berechtigt, Briony Eddon aber ich will nichts von Euch. Vielmehr werde ich jetzt Südmark verlassen.«
    Opalias ersticktem Aufschrei folgte ein Hagel bruchstückhafter Fragen von allen Seiten. Der Junge wartete gelassen ab, bis sich der Aufruhr legte.
    »Ich kann nicht hierbleiben, Mama«, sagte er, als sie wieder zuzuhören vermochten. Mit einem traurigen Lächeln sah er zu, wie Chert seine Frau zu trösten versuchte. »Ich war noch nie so etwas, verstehst du? Ein Teil von mir fühlt sich, als ob er nach Jahrhunderten aus dem Gefängnis freigekommen wäre. Selbst der Teil von mir, der einfach nur Flint ist, ist ein Kuddelmuddel — nicht Qar und nicht Funderling, nicht menschlich und nicht unsterblich. Ich muss herausfinden, was ich bin. Ich muss in der Welt herumkommen, auf Wanderschaft gehen ... lernen.«
    »Dann stehst also in Wirklichkeit du hinter dem Sieg über Zosim, den Dämon-Gott?«, sagte Briony. »Ich habe viele Geschichten über jene letzten Stunden gehört, aber bei allen schien ein Stück zu fehlen.«
    »Für sich genommen ist auch jede unvollständig«, sagte das Kind. »Ohne Vansens Klugheit und Mut und die Tapferkeit der Funderlinge hätte niemand den Autarchen lange genug aufhalten können. Ohne die großen Opfer der Qar wäre der Trickstergott an die Oberfläche entkommen, und dann hätte ihm keiner mehr wehren können. Ohne den Dachling Giebelgaup, der sein Leben hingab, hätte das alles nichts genützt. Selbst mit einem Stück des Gottes in mir habe ich erst sehr spät erkannt, wer der wahre Feind war und was er vorhatte. Habe ich da und dort geholfen? Ja. Aber ohne die Taten anderer hätte es nichts bewirkt.« Flint sah lächelnd auf, als gälten seine Worte ihnen allen. »Wenn ihr euch künftig fragt, ob die Götter bei euch sind, erinnert euch nur daran, wie schon die geringste grausame Laune eines schlafenden Gottes fast das Ende aller Dinge bedeutet hätte. Aber wenn ihr glaubt, das hieße, dass ihr hilflos dem Schicksal ausgeliefert seid, bedenkt eins: Ebendieser unsterbliche Gott, der Herr des Feuers und der Täuschung, der Sohn des Todes selbst, wurde nicht zuletzt durch einen Mann zu Fall gebracht, der so klein war, dass ihn mein Papa Chert in der hohlen Hand zu halten pflegte.« Flint erhob sich. »Jetzt muss ich gehen. Bald wird Euer Bruder hier sein, Briony Eddon, und ich glaube, ihr habt euch noch einiges zu sagen.«
    »Aber ... aber warum erzählst du uns das alles jetzt?« Die Prinzessin wirkte zutiefst schockiert, fast schon hilflos — so hatte Vansen sie noch nie gesehen. Sie sah ihn an, als ob er vielleicht klüger wäre als sie. »Und warum hier draußen?«
    »Weil mich meine Eltern zuerst von meinem Versprechen entbinden müssen, nicht wegzugehen. Und weil ich möchte, dass Ihr sie zu Euch in die Burg mitnehmt, wenn Ihr dorthin zurückkehrt.« Das sagte er, als läge es doch auf der Hand. »Ich habe genug über Leute gelernt, um zu wissen, dass sie traurig sein werden, wenn ich fort bin, vor allem Mama Opalia. Nehmt sie mit zu Euch, damit sie Euch hilft, für Euren Bruder zu sorgen, den kleinen Olin Alessandros. Ihr werdet sehen, sie ist eine sehr gute Mutter.«
    Opalia, die sich etwas beruhigt hatte, fing wieder an zu jammern. »Natürlich ... natürlich werde ich dafür sorgen, dass deine Eltern ... es gut haben ...«, setzte Briony an.
    »Nein«, sagte Flint resolut. »Man muss keinen Gott in sich haben, um vorhersehen zu können, dass

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