Das Herz
der Frau eines Königs zu treiben.« Er spuckte auf den Boden. »Nun gut, ich vermute, in gewisser Weise ging es mir um Macht — aber nicht so, wie du denkst.« Er blieb auf einem Treppenabsatz stehen und hielt die Wachen mit einer Handbewegung auf Abstand. Der Reichshüter beugte sich an Kettelsmit heran und sagte leise: »Ich tat es, um mir Zeit zu verschaffen, weil diese Zeit mir Macht bringen wird — mehr Macht, als du dir vorstellen kannst. Oh, du wirst es heute Nacht sehen, Dichter. Du wirst Macht und Schönheit sehen, wie du sie dir nicht vorstellen kannst, wie sie nicht mal ein Barde vom Kaliber eines Gregor von Syan zu beschreiben vermag. Du wirst sie sehen. Ja, du wirst sie sehen und dann wirst du's wahrhaft verstehen.«
Nach einer langen Pause fand Kettelsmit endlich den Mut, den Mund aufzumachen. »Verstehen, Herr?«
Tolly betrachtete ihn, Amüsement im scharfgeschnittenen, durchtriebenen Gesicht, in den Augen jedoch etwas weit Seltsameres. »Ja. Wenn du die Göttin triffst, die mich liebt.«
Matty Kettelsmit verstand gar nichts mehr. »Ihr nehmt mich mit zu einer ... Frau?«
»Nein, Idiot, hörst du mir nicht zu? Hat denn niemand an diesem verfluchten Ort auch nur einen Funken Verstand? Ich sagte Göttin, und das habe ich auch gemeint. Heute Nacht wirst du sie kennenlernen, und sie wird uns sagen, wie wir den Autarchen besiegen können.« Plötzlich und ohne Vorwarnung gab Tolly Kettelsmit eine so heftige Ohrfeige, dass der junge Dichter beinahe hinfiel. Als Kettelsmit wankte und sich die schmerzende Wange hielt, sah ihn der Reichshüter streng und kalt an. »Hör auf zu glotzen und folge mir, Bengel. Es gibt noch viel zu tun, ehe ich meine zukünftige Braut wiedersehen kann.«
Theron Pelgriner, der Pilgerführer, hatte sich inzwischen daran gewöhnt, mit dem Jungen und dessen mysteriösem Herrn zu reisen. Jeden Abend stellte der Junge sicher, dass der vermummte Mann zu essen bekam, und setzte sich dann zu Theron ans Feuer, um stumm und hastig sein eigenes Abendessen zu verzehren. Das war nicht gerade überraschend; der Vermummte sprach nur mit dem Jungen, und der Junge wirkte oft mehr wie ein zahmes Tier denn wie ein Kind und sprach nur, wenn es sein musste. Theron war ein geselliger Mensch, darum war das Ganze für ihn ein ziemlich ödes Unternehmen ... aber die Bezahlung war gut. Die Bezahlung war sehr gut.
Die Marrinswalker Straße war bis Bokeburg immer noch sehr belebt gewesen, doch mit dieser Stadt war auch das Gros der Leute hinter ihnen zurückgeblieben. Zwischen der Grenze von Marrinswalk und der ersten südmärkischen Stadt waren nur noch wenige Reisende anzutreffen, aber sie alle erzählten schreckliche Geschichten von den dahinterliegenden Landen und dem Chaos, das über den Norden hereingebrochen war.
»Räuber?«, sagte ein Reisender, der angehalten hatte, um mit ihnen eine Mahlzeit zu teilen. Es war ein fahrender Händler mit einem Wagen und zwei Gehilfen, und er steuerte einen Sack getrockneter Erbsen und etwas Hirse zu dem Eintopf bei. Theron hatte glücklicherweise an diesem Morgen einen Hasen in einer Schlinge gefangen, sodass es bis jetzt ein fröhlicher Abend gewesen war. »O ja, gewiss, zwischen hier und der Brennsbucht gibt es jede Menge Räuber, aber das ist noch das geringste Übel.«
»Das geringste Übel?«
»Das will ich meinen. Obwohl sie das ganze Land ausgeplündert haben und jedem, den sie finden, abnehmen, was immer ihnen gefällt.«
»Wie seid Ihr ihnen entgangen?«, fragte Theron.
»Indem ich sie bezahlt habe natürlich«, sagte der Händler mit einem rauhen Lachen. »Das sind Räuber, keine Verrückten. Auf ihre Art sind sie Geschäftsleute. Mit Honnos Hilfe konnte ich ihnen klarmachen, dass ich hier jedes zweite Tagzehnt entlangkommen und ihnen jeweils auf dem Hin- und Rückweg etwas bezahlen würde. Zwei Silberstücke kostet mich jede Fahrt, aber meine Haut ist es mir wert. Ich würde Euch raten, es auch so zu machen.«
Theron dachte betrübt an die Goldstücke, die ihm der vermummte Mann gegeben hatte — so viel Geld hatte er noch nie besessen. Wie groß war wohl die Chance, dass solche Gesetzlosen seine Habseligkeiten nicht durchsuchen würden? Wo konnte er so viel Gold verstecken? »Ihr sagtet, die Räuber seien noch das geringste Übel. Gibt es denn keinen anderen Weg nach Südmark?«
Der Händler sah ihn merkwürdig an. »Südmark? Mann, welcher Wahnsinn könnte Euch dort hinführen? Wisst Ihr nicht, was passiert ist?«
»Ich weiß, dass die
Weitere Kostenlose Bücher