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Das Herz

Das Herz

Titel: Das Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Augenblick zum nächsten hatte sich sein Frohlocken in Wut verwandelt. »Gottstein? Was ist dieser verfluchte Gottstein? Okros hat ihn nie erwähnt — mögen die Dämonen des Kernios seine dürren Glieder abnagen!« Er schüttelte den Kopf; sein Gesicht war vor Wut noch blasser als sonst. »Ich hätte umgebracht werden können!« Er wandte sich jäh an Kettelsmit. »Als dieser heidnische Bastard seine Boten zu mir geschickt und mich gefragt hat, ob ich das ›letzte Teilstück‹ hätte, dachte ich, er meinte Chavens Spiegel. Ich habe mit ihm gehandelt, bin aber die ganze Zeit von falschen Voraussetzungen ausgegangen — ich habe gewettet, ohne etwas im Geldbeutel zu haben. Ich hätte umgebracht werden können!« Tolly rief diese Worte so laut, als ob das Universum keine größere Tragödie zu bieten hätte — wovon Tolly, befand Kettelsmit bei genauerer Überlegung, zweifellos überzeugt war. Männer wie er konnten sich keine Welt denken, deren Mittelpunkt sie nicht selbst waren. Matty Kettelsmit war schon seit seiner Kindheit beständig daran erinnert worden, dass man ihn kaum vermissen würde.
    Weit hinter ihnen, auf halber Strecke zwischen ihrem Boot und dem M'Helansfels, dümpelte der Holzkasten noch immer auf dem Wasser. Schließlich bemerkte ihn Tolly.
    »Darauf läuft also das Schicksal der Tollys hinaus, Bruder?«, rief er dem Kasten zu. »Gailon verfault in der Erde, du wirst die Fische füttern, und ich werde alles auf einen letzten Würfelwurf setzen.« Seine Augen glänzten jetzt wieder fiebrig. »Der Autarch ist zu selbstsicher. Er begreift nicht, dass die jungfräuliche Göttin auf mich wartet — dass sie will, dass ich sie befreie! Alles andere ist Betrug. Vielleicht glaubt der Südländer ja nicht mal selbst an seine Lügen? Aber ich weiß, was ich weiß.« Die Beunruhigung war aus seinem Gesicht gewichen. Tolly blickte auf die Mauern von Südmark, die jetzt, da sich das kleine Boot dem Seetor näherte, über ihnen aufragten. »Das Schicksal hat mich nicht so hoch hinaufgetragen, nur um mich fallen zu lassen.«
    Das, dachte Kettelsmit, war vielleicht das Beängstigendste, was er je gehört hatte.

11

Zwei Gefangene
    »Wenn der Junge auch zu klein war, um ihn an die Ruderbank zu ketten, musste er doch in Diensten des grausamen Schiffsführers schwere Arbeit leisten.«
    Der Waisenknabe, sein Leben und Sterben und himmlischer Lohn — ein Buch für Kinder
    »Entschuldigung«, sagte Briony, »aber das verstehe ich nicht. Was heißt, wir haben uns getäuscht?«
    »Es ... es ist nur ...« Prinz Eneas hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck, den sie bei ihm noch nie gesehen hatte. Nach der Schlacht war er so beschäftigt gewesen, dass sie ihn den halben Tag nicht zu Gesicht bekommen hatte. Er trug immer noch seine komplette Kampfesrüstung außer dem Helm. »Es ist einfacher, Ihr kommt mit mir«, sagte er schließlich.
    Er führte sie zu einem umzäunten Gefangenengeviert mitten im Lager der Tempelhunde. Auf einer Seite war darüber ein Dach aus zusammengenähten Häuten gespannt, das Schatten spenden und die gelegentlich von den Bergen heranziehenden Regenschauer abhalten sollte. Zu Brionys Erstaunen waren die Gefangenen innerhalb der Palisaden allesamt gewöhnliche Sterbliche, darunter auch Söldner wie jene, die die Tempelhunde am Morgen gerettet hatten.
    »Wo sind die Zwielichtler?«, fragte sie Eneas. »Hat von denen keiner überlebt?«
    »Wartet.« Sein Gesicht war ungewöhnlich grimmig. Auf Befehl des Prinzen wurde ein Gefangener aus der frisch errichteten Umfriedung geführt. Es war ein großer, stämmiger Mann mit jener Art ungestutztem Vollbart, die sie mit den krakischen Ebenen assoziierte. Nach seiner schartigen Rüstung zu urteilen, gehörte er zu den Söldnern, die den Handelszug bewacht hatten.
    »Erzähl, was du vorhin ausgesagt hast, damit das edle Fräulein es auch hört«, befahl ihm Eneas.
    »Noch mal?« Der Gefangene schien sich nicht sonderlich zu fürchten.
    »Ja, noch mal, Elender.« Eneas war aufgebracht, so viel stand fest — aber warum?
    Der Mann grinste bar jeder Heiterkeit. »Wie Ihr wünscht.« Er musterte Briony nicht gerade respektvoll, ließ den Blick aber nicht zu lange auf ihr verweilen. »Ich bin Volofon von Ikarta, ein Offizier dieser Schar. Unser Anführer war Benaridas, aber der ist tot.« Er sah Eneas an, als wäre das irgendwie seine Schuld. »Die Zwielichtler haben ihn getötet.«
    »Warum sind diese Männer Gefangene?«, fragte Briony.
    »Wartet.« Eneas wandte

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