Das Hexen-Amulett (German Edition)
«Heiratest du mich?»
«Vorher musst du mir eines versprechen.»
«Und das wäre?»
Sie beugte sich vor, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und stand mit Mildred im Arm auf. «Dass du manchmal die Stiefel anbehältst.»
«Was soll das bedeuten?»
Im Weggehen imitierte sie Lady Margarets Stimme. «Nichts. Es gibt Dinge, die sind für junge Ohren nicht bestimmt.»
Unter dem Mistelzweig fing er sie ab, doch schließlich gelang es ihr, die Treppe heraufzukommen. Sie ließ ihn nur ungern zurück, wie schön wäre es, wenn sie am nächsten Morgen neben ihm aufwachen könnte.
Als sie in ihrer Kammer die Kleider ablegte, sah sie ihre gemeinsame Zukunft als einen endlos blauen Himmel voller Glück vor sich, während die Vergangenheit nur noch eine belanglose Erinnerung an unglückliche Menschen zu sein schien, die ihrem Gott die Schuld an ihren eigenen Mängeln gaben. Sie hatte ein großes Leben vor sich, ein Leben, das sie in Liebe an Tobys Seite verbringen würde. Sie lächelte, als ihr in den Sinn kam, dass sie in drei Monaten kein einziges Mal an den Engel mit der Schreibfeder und dem großen, anklagenden Buch gedacht hatte. Statt seiner wachte nun ein guter Schutzengel über ihr. Sie kniete nieder vor ihrem Bett, in dem die Wärmpfanne längst kalt geworden war, dankte Gott für die glückliche Wendung in ihrem Leben und die Aussicht darauf, im Frühling den Bund besiegeln zu können, der ihr eine wundervolle Zukunft versprach.
Dritter Teil
Das Siegel des Apostels Lukas
15
Der 25. März 1644, mit dem nach julianischem Kalender das neue Jahr begann, war ein klarer, kalter Tag, der auf einen schönen Frühling hoffen ließ. In der für sie typischen Eigensinnigkeit weigerte sich Lady Margaret Lazender, dieses Datum als Neujahrstag anzuerkennen, für sie begann das Jahr am 1. Januar, wie es auch in Schottland und auf dem europäischen Festland Brauch war. Sir George hingegen hielt an der alten Tradition fest und versäumte es nicht, seiner Frau herzliche Neujahrsgrüße aus Oxford zukommen zu lassen. Aber ob Neujahr oder nicht, dieser Märztag war voller Verheißungen. Die Äcker waren bestellt, neue Kälber waren geboren worden, und in der Molkerei von Lazen Castle herrschte nach dem kargen Winter wieder Hochbetrieb. Solange auf den Weiden noch kein frisches Gras nachwuchs, bekamen die Kühe Pastinakenblätter zu fressen, dank derer die Milch köstlich süß schmeckte.
Noch wurden die Kamine im Schloss befeuert, aber es konnte schon das ein oder andere Fenster geöffnet werden, um die Flure und Hallen zu lüften. Wie in jedem Jahr um diese Zeit mussten eilends Kleinkinder getauft werden, die am Maitag des vergangenen Jahres gezeugt worden waren. Die Kapelle von Lazen befand sich eigentümlicherweise in dem Ring zwischen Burgwall und Graben und lag somit in den Schlossgärten. Als Taufgeschenk nahm jede Mutter einen kleinen Silberbecher, von denen Lady Margaret einen unerschöpflichen Vorrat zu besitzen schien, mit zurück ins Dorf.
Auf Anraten von Oberst Andrew Washington, dem Kommandeur von Lazens Garnison, waren die wertvollsten Gegenstände aus den Hallen entfernt und von einigen wenigen Dienern, denen vertraut werden konnte, heimlich in den Kellergewölben versteckt worden. Man hatte den neugemauerten Wallabschnitt mit verwässertem Kuhdung bestrichen, der die Mauern älter aussehen ließ und den Wuchs von Flechten begünstigte, um das Versteck zu verbergen. Im Haus wurde nun ausschließlich Zinngeschirr verwendet, denn alles Gold und Silber war aus den Sälen und Zimmern verschwunden.
Oberst Washington war ein kleingewachsener, rundlicher Mann, der auf den ersten Blick nicht wie ein erfahrener Soldat aussah. Aber dieser Eindruck täuschte. Er genoss hohes Ansehen unter seinen Männern, war sehr beschlagen und stand zurecht in dem Ruf, außergewöhnlich tapfer zu sein. Als er, vor zwei Monaten aus Oxford zurückgekehrt, die Gräben begutachtet hatte, die auf Lady Margarets Geheiß zu beiden Seiten des Torhauses ausgehoben, von den Regen- und Schneefällen des Winters aber stark in Mitleidenschaft gezogen worden waren, hatte er nur mit dem Kopf geschüttelt. Davon unbeeindruckt, hatte Lady Margaret ihn mit strahlender Miene angeschaut und gesagt: «Wie Ihr seht, Oberst, habe ich mir erlaubt, Eure Arbeit fortzusetzen.»
«Bei allem Respekt, Ma’am, aber was soll das sein?»
«Was das sein soll?» Empört richtete sie sich zu ihrer vollen Größe auf und überragte den Oberst um Haupteslänge.
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