Das Hexen-Amulett (German Edition)
keine zweite. Sie wird nicht von einer Familie, sondern von der Nation geführt und vergreift sich nur selten an den Geldern ihrer Kunden. Dort, Campion, liegt Euer Vermögen nach wie vor zu treuen Händen.»
Es kam ihr seltsam vor, dass Lopez immer wieder von ‹ihrem› Vermögen sprach. Sie empfand sich nicht als reich begütert und schon gar nicht als vermögend. Sie war eine junge Frau, die um ihre Freiheit kämpfte und getrennt war von dem Mann, den sie liebte.
Lopez blickte zur Decke empor. «Agenten in ganz Europa überweisen der Bank die Erträge aus Euren Ländereien. Sie erhalten natürlich ein Honorar für ihre Dienste, und ich bin mir sicher, dass ein jeder von ihnen zu betrügen versucht. Auch die Bank verlangt einen Zins, und es würde mich nicht wundern, wenn sie die Zahlen zu ihren Gunsten addiert. Von ihr geht allmonatlich ein Wechsel an Grenville Cony, und der, meine Liebe, lässt sich wahrscheinlich ebenfalls mit einer gehörigen Summe entschädigen. Der Rest des Geldes ging an Euren Vater und den Bund, der von uns allen und der Bank eingesetzt wurde, um zu gewährleisten, dass das Geld Eurem Wohl und Eurer Erziehung zugute kommt.»
Sie lachte bei der Vorstellung, dass Matthew Slythe sich um ihr Wohl gesorgt haben sollte.
Lopez lächelte.
«Anfangs lief alles nach Plan, doch der enthielt einen schrecklichen Fehler. Wir hatten Vorkehrungen getroffen für den Fall, dass sich einschneidende Änderungen ergeben würden. Angenommen, zwischen England und Holland bräche Krieg aus. In einem solchen Fall hätten wir die Kontrolle über das Eigentum an einen anderen Treuhänder übertragen müssen. Also beschlossen wir, dass für einen Vertrag, der dann aufzusetzen wäre, auf unserer Seite drei Unterschriften ausreichen sollten. Das erschien uns sicher genug, denn weder ich noch Euer Vater hätten sich von Grenville Cony oder Matthew Slythe übers Ohr hauen lassen. Dann aber hat Kit die ganze Sache über die Maßen kompliziert. Er fragte, was denn wäre, wenn einer von uns vieren stürbe? Ob es denn nicht besser sei, wenn jeder ein Siegel habe, das er im Notfall an denjenigen abtreten könne, der ihm besonders nahe stehe. Das Siegel verleiht seinem Besitzer ein Viertel der Vollmacht über den Bund und beglaubigt die Unterschrift desjenigen, der wegen des Bundes einen Brief an die Bank von Amsterdam schreibt. Ich fand die Idee nicht gut, aber Kit hatte wahrscheinlich schon ausgeheckt, Matthew Slythe ein Kruzifix und Grenville Cony eine Frau zukommen zu lassen. Wie dem auch sei, er setzte sich mit seinem Vorschlag durch.»
Lopez beugte sich vor und fuhr fort: «Nun sind für alle Regelungen in Sachen Bund nicht mehr nur drei Unterschriften, sondern darüber hinaus drei Siegel vonnöten. Das heißt, derjenige, der im Besitz dreier Siegel ist, kann über das gesamte Vermögen verfügen. Über alles. Der Bund wäre aufgelöst. Wenn Grenville, der jetzt, wenn mich nicht alles täuscht, zwei Siegel besitzt, ein drittes hinzugewinnt, wird er einfach in die Bank hineinspazieren und alle Guthaben an sich reißen können. Ihr würdet leer ausgehen.»
Campion nickte. «Und solange Sir Grenville zwei Siegel hat, sind uns die Hände gebunden.»
«Ja, allerdings nur bis zu Eurem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Damit es dazu nicht kommt, hat er alles darangesetzt, um Euch in den Tod zu schicken.»
Lopez hob sein Glas und lächelte ihr zu. «Es gilt also, dass Ihr, Verehrte, dem Fettwanst die beiden Siegel abtrotzt, um dann mit ihnen und dem Siegel des Apostels Lukas nach Amsterdam zu reisen. Das wäre im Sinne Eures Vaters, und ich werde Euch dabei helfen.»
Campion nahm das Siegel vom Tisch. Sie wusste jetzt, warum Sir Grenville ihr nach dem Leben trachtete, begriff, dass Samuel Scammell sterben musste, weil Ebenezer das Siegel zu erben hoffte, und konnte sich endlich auch erklären, warum Matthew Slythe sie im Hinblick auf den Bund belogen hatte. Sie verstand jetzt einiges, doch manche Fragen blieben offen.
«Wo ist das vierte Siegel?»
«Das weiß ich nicht», antwortete Mordecai Lopez, bekümmert, wie es schien.
«Ist mein Vater noch am Leben?»
«Auch das weiß ich nicht.»
Ein Teil des Geheimnisses war gelüftet. Jetzt aber stellte sich ihr ein neues Rätsel, eines, dessen Lösung für sie weitaus wichtiger war als die vier goldenen Siegel.
«Warum hat mich mein Vater nicht zu sich genommen?»
«Wäre Euch das lieber gewesen?»
«Ja, oh, ja.»
Lopez schien in Verlegenheit zu geraten. «Damit hat
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